Outtasking – Raus ins Unbekannte

Der Kauf eines traditionellen Produkts, sagen wir eine Waschmaschine ist recht einfach optimierbar. Ist das gewünschte Modell durch fachliche Anforderung, Qualität und Preis gefunden, kann das feilschen um den Preis beginnen.

Das ist Prinzip bei Services auch so, es gibt standardisierte E-Mail-Service wie er von den großen Anbietern beworben wird. Nur geht es meist schon bei den Anforderungen los, die Variabilität bei IT Services ist schon mal so breit, dass meist zwei Standardangebote kaum vergleichbar sind. Doch darum soll es in diesem Artikel nicht gehen.

Bei Firmen die gerade mit Outsourcing oder Outtasking beginnen, ist das hier skizzierte Vorhaben eine bestimme Anzahl von internen Services auszuschreiben, die nun extern erbracht werden. Im Erstgespräch werden Wünsche nach Standardisierung, Professionalisierung oder ähnlich geäußert. Gewünscht ist jedoch nicht, wie Service-Anbieter Standardisierung verstehen: Es wird ein fertiger Standard-Service geliefert, der Auftraggeber passt seine Services darauf an. Der Auftraggeber hat zum Beispiel eine Aufräumarbeit im Kopf, so könnte eine Vorstellung sein: „Übernehmt mal das Ganze und baut dann euren Standard ein“.

Nach dem die Ausschreibung (RfP) verschickt ist, beginnt eine Reise voller Irrungen und Wirrungen die meist sehr Vorhersehbar ist. Über dieses Thema lässt sich bequem ein Buch schreiben, ich möchte heute nur ein, zwei Aspekte erläutern und setzte diesen Artikel auf Wunsch gerne fort.

Als Antwort auf den RfP werden alle Anbieter genau den geforderten Standard-Service anbieten, zusätzliche Ressourcen zur allmählichen Integration oder einen Puffer zur Abdeckung von allen existierenden Prozeduren wird selbstverständlich kein Anbieter einrechnen. Würde jemand das tun, ist ein Ausschluss wegen zu hohem Preises nahezu vorprogrammiert.

Nach dem Zuschlag für einen Anbieter werden sich nach einiger Zeit beide Beteiligten um die zu schließenden Lücken kümmern müssen. Das erfolgt selbstverständlich nicht reibungslos und das ist meist der Zeitpunkt an dem das RfP am intensivsten gelesen und ausgelegt wird.

Bis dato ist meine Geschichte eine Steilvorlage für eine Consulting-Firma oder einen Berater, diese werden vorbringen, dass hätte man sie bloß gefragt ein besseres RfP erstellt worden wäre. Dies ist in Praxis meiner Erfahrung nach nicht so, wie gesagt es geht hier um einen IT Service der zuvor nicht vorhanden oder historisch gewachsen ist.

Wenn ein mittelguter Berater hinzugezogen wird, so hat dieser meist nur wenige Tage Zeit den alten Service zu verstehen und wird wenige versteckte Probleme finden. Auch hier sprechen Auftraggeber und der externe Berater unterschiedliche Sprachen. Im besten Fall werden nun Lücken geschlossen, die der Auftraggeber sonst in das RfP definiert hätte, meist entsteht jedoch eine Lose-Lose-Situation. Der Berater zieht ein standardisiertes RfP aus der Tasche, dieses bildet weder die existierenden Services des Auftraggebers ab noch die eines der Auftragnehmer.

Nachdem der Zuschlag erteilt wurde, brüten Auftraggeber und Auftragnehmer nun über einen Text der für Beide nicht passend ist. Der Auftragnehmer kann nicht günstig Standard liefern und der Auftraggeber bekommt etwas was nicht passend ist.

Wege aus dem Dilemma

Zum Einen muss ehrlich eingestanden werden, dass die Dinge nun mal schwierig sind. Zum Anderen muss die Strategie passen, es Bedarf einer Zeit zum auszuprobieren und lernen. Fehler sollten hier verzeihbar sein. Ein RfP, dass alles sofort und professionell löst ist Illusion. Ich bin mir durchaus im Klaren darüber, dass es Leute in unserem Gewerbe gibt, die nun behaupten: „Quatsch, machen Sie das mit mir und alles wird gut. Die anderen sind Laien!“ Nun heißt es Smartphone raus, Aufnahmetaste drücken und im Projektverlauf immer wieder abspielen. Eines ist Sicher: Es wird nicht gut. Das was nicht Vorhersagbar ist, welche Ausreden obiger Berater hat, warum doch nicht alles gut wurde.

Das Vorhaben benötigt Zeit. Lernzeit kann durch Berater verkürzt werden, hier muss man eine Balance finden. Kleine Beratungshäuser sind oft tüchtig und bringen ordentlich Resultate für ihr Geld, größere Beratungshäuser stülpen oft zu grobe fertige Konzepte über gewachsene Strukturen. Kleinen Beratungshäusern fehlt es oft an spezifischer Erfahrung, dies ist bei Großen nicht so. Es kann auch schlau sein sich an Berater eines Anbieters des Service zu wenden, die haben die detaillierteste Erfahrung allerdings ggf. ein Problem Wettbewerb geeignet zuzulassen.

Referenzen und Referenzbesuche bringen weniger als man denkt. Der Anbieter wird nur zufriedene Kunden präsentieren, bei denen das Zusammenspiel gepasst hat. Wenn eine Referenz aus exakt der gleichen Branche ist, kann ein Referenzbesuch schon mal ein guter Indiz sein. Die historische Entwicklung des IT Service, der Reifegrad, etc. der Referenz kann dennoch ein anderer sein und siehe da, nachher stolpert man im Zusammenspiel. Wichtiger scheint mir die Kultur der Anbieter zu sein, wenn die passt wird es einfacher im Projekt sein einen gemeinsamen Weg zu finden. Falls dazu keine Erfahrungen vorliegen, kann ein Berater gute Dienste erweisen.

Falls Zeit zum probieren eingeräumt wird, warum nicht mit einer Leistungsanfrage (RfI) beginnen und aus einem großen und einem kleinen Service-Anbieter ein Team zur Vorbereitung des RfPs mischen. So könnte der kleinere Service-Anbieter dank günstiger Tagessätze bestehende Prozeduren dokumentieren und verirrte Aktivitäten gerade-ziehen. Der große Anbieter parallel Soll-Prozesse definieren. Nur als Beispiel. Während einer solchen Übung hat man vielleicht schon seinen Favoriten gefunden. Muss man ja vor der finalen Preisverhandlung nicht gleich sagen 🙂

Ist keine Zeit einplanbar, sollte zumindest mit zwei Anbietern von der Shortlist eine Due Diligence gemacht werden. Dazu dürfen diese mal in die bestehende Organisation hineinschauen, am besten hineinfassen und niemals alleine durchs Haus gehen lassen. Damit meine ich nicht den begleitenden Azubi, sondern die eigenen Fachleute müssen bei der Due Diligence auch schon lernen. Wie funktioniert der Service als Industriestandard, was ist enthalten, wo muss die Ausschreibung ergänzt oder zumindest vor Unterschrift noch Preise eingeholt werden.

Als letzter Tipp: Was würde ein Fertigungsbetrieb machen, wenn er ein neues Produkt produzieren möchte? Am besten Know-How einkaufen, also jemanden anwerben, der so etwas schon einmal betrieben hat.

P.S.: Wenn Auftraggeber etwas ausschreiben, dass zu deren Kerngeschäft gehört zum Beispiel Nearschoring zu Kostenreduktion, passiert obiges Szenario nicht. Denn der Service kann im Vorfeld bis auf das i-Tüpfelchen beschrieben werden, die Anbieter können eine Due Dilligence sehr Detailliert durchführen und kommen später mit Nachforderungen unter der Begründung „Haben wir nicht gewusst“ nicht weit. Es liegt also wirklich daran Neuland zu betreten, sei es aus Unwissenheit weil man gar nicht wusste wie unstrukturiert der eigene Laden ist oder mit Absicht um sich weiterzuentwickeln. Meist vermuten die Ausschreibenden gar keine Komplexität oder Chaos in den eigenen Truppen.

P.P.S.: Warum entsteht eigentlich Komplexität und Chaos? Typischerweise durch schnelle Lösungen. Schnell Kosten sparen, den einfachsten Weg suchen, unausgelastete Abteilungen auslasten, technische Lösungen kurzfristig einkaufen, etc. Ein Architekt, der den Markt kennt und beobachtet kann dies Wirkungsvoll verhindern. Aber das ist ein anderer Artikel.

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