Was Pferde mit Geschäftswert zu tun haben

Ihr kennt sicher den berühmten Satz: „Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde“. Dieser Satz wird seit den 2000er Jahren Henry Ford in den Mund gelegt. Er stammt vermutlich nicht von ihm, passt aber wunderbar zu seinem Ford Modell T, das ab 1908 eine Revolution im Transportwesen und in der produzierenden Industrie auslöste. Häufig wird dieser Satz verwendet, um zu betonen, dass es besser ist, einen Experten zu fragen.

Dem widerspreche ich aus mehreren Gründen, dazu später mehr. In diesem Artikel möchte ich den Unterschied zwischen Output und Outcome an diesem Beispiel verdeutlichen. Diese Begriffe tauchen häufig in Lean-Agile-Kursen auf. Output ist der Leistungsumfang, den z.B. ein IT-Dienstleister laut Vertrag erbringt. Outcome ist der Wirkungsnachweis, den der Kunde in der traditionellen Dienstleistungssicht auf Basis des Outputs erbringen muss: der geschaffene Wert.

Wenn man Leute, die keine Erfahrung mit der agilen Kultur haben, nach einem Training fragt, was der Unterschied zwischen Output und Outcome ist, sagen sie meistens, dass es fast dasselbe ist. Output ist sozusagen die Basis und Outcome eine Art Sternenstaub darauf. Dabei sind die beiden Begriffe schon vom Wesen her sehr unterschiedlich.

Zurück ins Jahr 1908: Ein traditioneller Dienstleister fragt den Kunden, was er sich als Transportmittel (Output) wünscht und erhält die Antwort „ein schnelles, ausdauerndes Pferd“. Der Berater des Kunden versucht das Grinsen zu vermeiden und erklärt ihm dann, was alles in seinem Portfolio ist.

Wenn eine Beraterin für adaptive Services die Frage stellt, welchen Outcome der Kunde mit dem Transportmittel schaffen will und die Antwort lautet: „ich träume von einem schnellen und ausdauernden Pferd“. So ist diese Pferde-Vision ist nicht perfekt, aber sie ist eine Alternative, deren Wert bestimmt werden kann. Mit dem „schnellen ausdauernden Pferd“ können Wertpotenziale identifiziert werden. Beispielsweise kann der Landwirt seine Produkte auf weiter entfernten Märkten anbieten. Mit dem Wertpotenzial können Alternativen zusammengestellt und entwickelt werden, ob die Sache in Richtung des T-Modells geht, entscheidet die Fortentwicklung.

Das ist genau der Unterschied, wenn man traditionell nach einem Output fragt und eine Diskussion über den Outcome nicht fördert. Die Gründe dafür sind vielfältig und können auch unternehmensintern liegen, wenn die IT nur als Supportfunktion gesehen wird und man glaubt, an anderer Stelle genug über Lösungen zu wissen. Dann muss man mit schnellen Pferden leben.

Ideen von „schnellen Pferden“ kenne ich gut. Es ist toll wenn Leute sich das trauen. Wird daraus eine Diskussion über Werte und Wirkungsnachweis, fördert dies eine Menge weiterer passenderer Alternativen zutage. Hier kann Innovation entstehen.

Kein T-Modell
Kein T-Modell

No circular wait

Manchmal finde ich bei Kunden eine wilde Toollandschaft vor, die den Betrieb täglich enorme Ressourcen kostet und ein proaktives Arbeiten unmöglich macht. Typischerweise wird in finanzschwachen IT-Organisationen oft zu lange an Altem festgehalten, in wohlhabenderen IT-Organisationen werden Tools schnell angeschafft, eine Integration sollte ursprünglich noch später stattfinden.

Nicht selten fehlen in den Prozessen sogar elementare Informationen, die zwischen den Tools doppelt erfasst oder manuell abgeglichen werden müssten. Insbesondere Aufgaben wie die manuelle Nachverfolgung oder das manuelle Monitoring sind bei wenigen Tickets noch überschaubar, explodieren aber im Aufwand, wenn viele Störungen zu bearbeiten sind.

Die Geschichten, wie es genau zu diesen Baustellen gekommen ist, warum Anpassung und Integration gescheitert sind, sind oft unterschiedlich. Wo ich aber eine große Gemeinsamkeit sehe, ist, dass diese Organisationen gelernt haben, aufeinander zu warten. Zum Beispiel endet eine Verbesserungskampagne mit der Feststellung, dass manuelle Prozesse derzeit nicht abgeschafft werden können, weil ein anderer Unternehmensbereich bald ein neues Tool einführt.

Oder weil in eineinhalb Jahren wahrscheinlich der Dienstleister gewechselt wird. Dann kann man die manuellen Prozesse immer noch abschaffen. Oft entsteht ein wunderbares Wechselspiel, in dem es immer wieder neue Gründe zum Warten gibt.

Dabei gibt es eigentlich immer Möglichkeiten, bestehende Missstände abzumildern. Gerade wenn man seine Organisation genau kennt, kann man gut einschätzen, wo sich etwas lohnt. Es wird sicherlich noch Monate dauern, bis das neue HR-Tool zum Einsatz kommt. Aber schon jetzt den alten Urlaubsprozess (auf Papier) zu modernisieren und den neuen Prozess auszuprobieren, kann sich lohnen.

Ich kann nur empfehlen, als Regel oder Kontrollpunkt „No circular wait“ einzuführen. Es darf nichts unterlassen werden, nur weil man auf andere wartet. In einem solchen Fall müssen Lösungsalternativen erarbeitet werden. Eine kleine nachhaltige Verbesserung lässt sich immer finden.

Erstens helfen auch kleine kontinuierliche Verbesserungen unmittelbar. Zweitens erhöhen sie auch den Druck, die große Lösung, z.B. den dauerhaften und vollständigen Ersatz eines Tools, sukzessive in den Griff zu bekommen. Das Denken in Lösungsalternativen verändert nach meiner Erfahrung auch die Kultur, innovativer und kreativer zu werden. Packen wir es an.

Impact Effort Matrix

P.S.:Die Circular-Wait-Lösungen liegen oft im blauen Quadranten, die Ableitung in handhabbare grüne Lösungen ist schwierig, aber iterativ meist beherrschbar.

Neue Leistung braucht das Land

Neulich habe ich einen Kommentar gelesen, man wünsche sich neben der ganzen Diskussion um New Work auch eine Diskussion um New Performance. Oder ein anderes Posting, dass man neben all der New Work auch arbeiten müsse, weil man dafür Geld bekäme. Entweder ist das ein neues Narrativ, um New Work zu diskreditieren, oder es ist ein Missverständnis. New Work ist kein Zusatz oder Benefit in Form von kuscheligen Büros und 4-Tage-Wochen.

Aber wenn jemand New Work nicht kennt und noch nie einem Team begegnet ist, das diese Methoden zur Effizienzsteigerung einsetzt, dann kann ich mir gut vorstellen, dass ein solcher Eindruck entsteht. Aber es geht bei New Work nicht um Leistung versus Benefits. Prof. Peter Kruse hat einmal gesagt, dass Selbstorganisation die höchste Form der Professionalität ist. Das bringt einen zentralen Aspekt von New Work auf den Punkt.

Für mich war es auch eine ziemliche Lernkurve, die 2016 aus Effizienzüberlegungen im Team begann. Damals war ich ein ganz normaler hierarchischer Teamleiter einer Presales-Einheit. Ich habe Leute für Ausschreibungen eingeteilt und ihre Arbeit priorisiert. Wenn jemand krank wurde, musste ich Ersatz einteilen. Damals konnte ich mir nicht vorstellen, wie das Team nach ein paar Jahren aussehen würde.

Lean-Agile Methoden mit dem Team zu entwickeln, die Diversität bzw. Vielfalt im Team zu erhöhen, war ein langer Weg mit vielen Rückschlägen und Momenten, in denen ich aufgeben wollte. Aber auch Momente, in denen mir Teammitglieder:innen den Rücken gestärkt haben. Ich erinnere mich an kleine Erfolge und an einen großen Glücksmoment nach ca. 3 Jahren.

Es war an einem Sommertag, eine Mitarbeiterin rief mich an, es gäbe eine neue Ausschreibung, sie wolle mich nur informieren. Sie handelte natürlich ohne Mandat. Was sie gemacht hatte, war ein organisatorischer Kraftakt, denn alle Teams waren mit einer hohen Arbeitsbelastung unterwegs. Ich habe alle Beteiligten angerufen und gefragt, ob sie einverstanden sind, und unisono haben alle versichert, dass wir das noch hinkriegen.

Zu diesem Zeitpunkt schafften wir etwa doppelt so viel Arbeiten wie drei Jahre zuvor. Mit einer guten Reife in der Selbstorganisation, besseren eigenen Methoden, weniger Verschwendung im System etc. Übrigens konnten wir in unserem Bereich auch den doppelten Umsatz erwirtschaften wie noch 3 Jahre zuvor. Das ist New Work.

New Work macht Menschen glücklich, weil sie als ganze Person mit all ihren Fähigkeiten geschätzt werden. Weil man in der Gemeinschaft Dinge schafft, die man alleine nie geschafft hätte. Weil man Anregungen bekommt und sich intensiver einbringen kann, als man es sich letzte Woche noch vorstellen konnte und noch vieles andere mehr.

Sofas, Tischfußball, Boxsack, Fitnessstudio etc. sind gut und schön, haben aber wenig mit New Work zu tun. Solche Benefits passen vielleicht sogar besser zu einer kompromisslosen Führung. Leistung ist da auch eher ein Müssen, das Output und nicht Outcome erzeugt.

Kran Hamburg Fabrik

Dinge ändern und Gelassenheit

Kennt ihr das? Man steht auf dem Flur und ein Kollege äußert mal wieder seinen Unmut über die da oben, die Nachbarabteilung oder die Kunden. Sein Unmut ist immer pauschal, geht oft davon aus, dass die Gescholtenen dumm sind. Auf seinen Einfluss angesprochen, kann er eben nichts machen.

In diesem Zusammenhang wird dann gerne das Gelassenheitsgebet von Reinhold Niebuhr zitiert: Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Wieder einmal ein schöner Sinnspruch, der dazu aufruft, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die man ändern kann. Kaum gelesen, schon wieder vergessen. Was fehlt sind konkrete Hilfestellungen oder gar leicht anwendbare Methoden. Aus dem Einsatz von Lean Management kann ich dazu vielleicht etwas beitragen.

Als wir vor einigen Jahren begannen, im Team Concerns zu sammeln, wurde zunächst die Liste immer länger. Es waren Kleinigkeiten, einmalige Vorfälle, echte Hindernisse und Unmut. Gegen die immer länger werdende Liste musste etwas getan werden, die Concerns wurden im Team verteilt. Einmalige Vorfälle und Kleinigkeiten, die wenig störten, wurden schnell abgearbeitet.

Die Hindernisse wurden mittels Problem Solving analysiert. Die Teile, die das Team selbst oder durch Einbeziehung von Nachbarn und Kooperationspartnern lösen konnte, brachten oft so viel Verbesserung, dass der Concern selbst vom Board genommen werden konnte.

Concerns, die Kunden, die Bereichsleitung oder „die da oben“ betrafen, wurden durch das Problem Solving sehr gut aufbereitet. So gut, dass bei der Darstellung der Problemlage und der Lösungsalternativen oft anerkennend genickt wurde. Dennoch änderte sich meist nichts.

Aber im Team hat sich das Bild von den Dingen, die wir anpacken und lösen können, sehr geschärft. Bei Dingen, die nicht in unserer Macht standen, haben wir je nach Workaround auch mal Gelassenheit gezeigt und den Concern einfach in den Papierkorb geworfen.

Das Erfolgsrezept ist einfach: Visuelles Management, Konzentration auf die eigenen Stärken und machen.

Katze auf dem Dach
Katze auf dem Dach

Cargo Cult

Gelegentlich trifft man auf Organisationen, die nach außen hin behaupten, agil zu sein, bei näherer Betrachtung aber kaum eine agile Kultur entwickelt haben oder entwickeln wollen. Agile Berater verwenden dafür den Begriff Cargocult, wenn Organisationen agile Methoden ohne Nutzwert, sondern eher aus symbolischen Gründen einführen.

Cargocult ist ursprünglich eine religiöse Bewegung auf einigen Pazifikinseln, bei der z.B. Teile von Flughäfen aus Holz nachgebaut werden und die Aktivitäten eines Flughafenbetriebs symbolisch nachgeahmt werden, um die Rückkehr der Ahnen herbeizuführen, die Cargo (Fracht) bringen werden. Frachtgüter, wie sie die amerikanischen Truppen im Zweiten Weltkrieg massenhaft auf die Inseln brachten.

Meiner Erfahrung nach sind die allermeisten „Cargocult“-Fälle in Unternehmen anders gelagert. Ich habe in einem Fall erlebt, dass agile Methoden in der IT eingeführt wurden. Die Mitarbeiter:innen erfuhren dies buchstäblich über Nacht, hatten keinerlei Training, sollten aber alle laufenden Projekte auf agile Arbeitsweisen umstellen. Da es sich um ein hierarchisch geführtes Unternehmen handelte, wurde dies auch in den meisten laufenden Projekten versucht. Das Management verkündete nach 4 Wochen, dass man agiler und besser als die Branchenführer sei.

Die Umstellung auf symbolisch-agiles Arbeiten führte bei allen Projekten zu erheblichen Verzögerungen. Es wurde von den Projektleitern zu agilen Methoden gerätselt und interpretiert, sehr oft mit einer simplen Fehlzuordnung wie: Definition-of-Done ist doch unser altbekanntes Abnahmeprotokoll. Es entstand ein erstaunlicher Unsinn, sogar Repressalien sollten unter dem Namen Agilität durchgesetzt werden.

Das Ganze endete nach 9 Monaten, am Ende dozierte das Management über die Unzulänglichkeiten agiler Methoden. Ich bin während und nach diesem Massenversuch angesprochen worden, habe mit den Menschen gesprochen. Die allermeisten haben unter diesem Unfug gelitten. Einige wenige haben sich immer politisch korrekt geäußert und alles richtig befunden.

Dass diese Arbeitsweise nichts mit Agilität zu tun hat, war der Mehrheit schon nach kurzer Zeit klar. Ihr aufkeimender Widerstand führte schließlich auch zum offiziellen Abbruch des Projekts. Verblieben die Befürworter, glaubten sie an einen Cargocult? Ich vermute eher, man wollte sich mit agilen Kleidern schmücken. Wollten der Welt erzählen, nun auch eine agile Organisation zu sein. Im Inneren solle alles so hierarchisch wie möglich bleiben.

Der Verdacht liegt nahe, dass man sich modern geben wollte und es gar nicht ernst meinte. Eher eine Art symbolisches agiles Arbeiten, um dem Management und der Außenwelt etwas vorzugaukeln. Für mich passt da eher der Begriff Potemkinsche Dörfer, da wohl niemand erwartet, dass die agile Kultur irgendwann vom Himmel fällt.

„New Work“ potemkinsche Dörfer sind natürlich eine überflüssig wie nur was. In den Beispielen, die ich kenne, richten sie keinen nachhaltigen Schaden an, die Mitarbeiter:innen kennen derartigen Unsinn. Ein paar junge Mitarbeiterinnen werden mittelfristig gehen. Übrigens werden rechtlich notwendige Rahmenbedingungen in diesen Unternehmen auch so eingeführt. Diese landen dann meist in einer Stabsabteilung, da gibt es immer entsprechende ISO-Beauftragte.

Bleibt die Frage: Warum macht man so etwas? Ich habe mit HR Kolleg:innen gesprochen, die ja meist mit derartigen „New Work“ Kulturveränderungen beauftragt werden. Die waren alle genervt von solchen Projekten, es mangelte fast immer an Unterstützung, Ressourcen und Budget in ihren Unternehmen. Eine transparente Kommunikation, welche Ziele mit den viel zu knappen Ressourcen eigentlich erreicht werden können, gab es bei ihnen nicht.

Wäre ja schön, wenn jemand sagen würde: Wir wollen das nur draußen an der Tür stehen haben, weil alle das jetzt so machen. Ist aber nicht so…

Tanker unscharf im Meer