Normalerweise empfehle ich Bücher von Angesicht zu Angesicht. Hier aber mal gerne öffentlich. Vielleicht geht euch aktuell das Ewige auf das Individuum bezogene auch auf den Senkel. Da bietet sich das folgende Buch als Spiegel und somit Denkmitte an.
Der einzelne Mensch als Vater erfolgreicher Projekte, als das faule Ei im Korb, als aufstrebender Held oder als personifizierter Versager sind nichts als Geschichten. Warum bestimmte Menschen erfolgreich sein konnten, hat viele Ursachen. Aktuelle Marktereignisse, ein bisschen Glück und sicherlich auch die handelnden Personen selbst, keine Frage. Was für mich viel zu selten diskutiert wird, ist die Organisation. Organisation kann das Großartigste möglich machen, sie kann aber auch der Garant dafür sein, dass die einfachsten Transformationen immer im Nichts enden.
„Die Humanisierung der Organisation“ von Kai Matthiesen, Judith Muster und Peter Laudenbach betrachtet Organisationen als Beobachter ganz im Sinne und mit Bezug auf Niklas Luhmann. Dies erzeugt in manchen Passagen ein sehr hartgesottenes Bild von Organisationen. Das ist aber gut, denn es schafft einen Prüfstein für die eigenen Vorurteile auf Organisationen.
Das Buch ist aus der Beratungspraxis heraus entstanden und steckt voller wunderbarer Zitate. „Es ist die Vorstellung, als Team gut zusammenzuarbeiten bedeute, dass jede und jeder im Team immer gleicher Meinung sein und identische Meinungen verfolgen müsse. Das ist ein Irrtum. Gut zusammenarbeiten bedeutet, die unterschiedlichen Meinungen und Interessen produktiv zu machen.“ S. 161f.
„Beim Besuch dieses Paralleluniversums versteht man, dass die Möglichkeit der Insolvenz einer der größten Vorzüge der Marktwirtschaft ist. Sie erzwingt im Interesse des Überlebens eine gewisse Rationalität.“ S. 239.
Nach 240 Seiten, die den Organisationen den Spiegel bis zum letzten Knochen zeigen, endet das Buch mit einem wunderbaren Aufruf zum Handeln: die Humanisierung als Effekt guten, über sich selbst aufgeklärten Organisierens. S. 248.
Gut geschrieben, kann ich diesen frischen Blick in Buchform nur empfehlen.