Wer hat Angst vor dem künstlich intelligenten Mann?

In den letzten Jahren nehmen Warnungen vor den Auswirkungen von künstlicher Intelligenz (KI, AI) zu. Dabei hat sich von den Informatik-Grundlagen künstlicher Intelligenz bis hin zu unserer Wahrnehmung kaum etwas geändert. In meinen Augen ein großes Missverständnis.

Die Furcht manifestiert sich in Maschinenwesen, die intelligenter als Menschen werden und die Macht übernehmen. Die Angst vor der technologische Singularität, der Tag ab dem die Maschinen über die Menschheit herrschen.

All das hat wenig mit dem aktuellen Forschungs- oder Entwicklungsstand von Künstlicher Intelligenz (Artificial Intelligence) zu tun. Woher diese Furcht ihre Nahrung bekommt kann ich nur vermuten. Zum Einen ist es die Science-Fiction-Literatur zum Anderen nutzt die KI Forschung bewusst irreführende Begriffe aus dem kognitiven Umfeld wie Intelligenz, Neuronen oder Denkleistungsvergleich mit Insekten oder Katzen. Aber alles der Reihe nach.

Menschliche Roboter in der Literatur

Schon frühe Science Fiction Literatur zum Beispiel von Isaac Asimov beschäftigt sich mit Robotern, die in Entscheidung-Dilemmas stecken, eine kindliche Intelligenz haben und somit sehr menschenähnlich sind.

Ein durchgängiges Roboter-Thema sind menschenähnliche Androiden, denen es nur noch eines Emotions-Chip bedarf bis sie menschlich – mit allen Vor- und Nachteilen – reagieren. Man denke nur an Data aus Star Trek Next Generation, der starr vor Angst seinem Freund nicht helfen kann oder den Androiden aus Dark Matter, die mit dem Human-Upgrade-Chip als Mensch durchgeht aber Fehler macht und den Chip deshalb wieder entfernt.

Diese Science Fiction Geschichten lassen nur einen Schluss zu: In Zukunft gibt es Maschinenwesen denen man zur Vorsicht Emotionen vorenthalten sollte, damit diese nicht die potenteren Menschen-Nachfolger werden. Es gibt aber im Moment gar keinen Hinweis darauf, dass es eine solche Art von Robotern je geben wird, egal ob mit oder ohne Emotionschip.

Forschung attraktiv bewerben

Die Entwickler von KI Systemen scheuen keinen Vergleich zu biologischen Systemen. Ihr neuronales Netz ist so Intelligent wie eine Libelle oder gar eine Katze. Eine künstliche Intelligenz schlägt den Menschen in Schach, Quizzspielen oder ganz aktuell in Go.

Als Informatiker finde ich diese werbenden Vergleiche sehr problematisch. Ein lernender Algorithmus hat aber auch gar nichts mit menschlichem Lernen zu tun, sondern ist ein statistisches Verfahren. Kein Mensch lernt so. Ein künstliches neuronales Netz hat nahezu nichts mit biologischen Neuronalen Netzen zu tun, eventuell sind Basisfunktionen unserer Neuronen ähnlich.

Das in der Berichterstattung diese Art von Vergleichen von der Presse akzeptiert werden sagt viel darüber aus, was wir alles über das menschliche Gehirn noch nicht wissen. Das ist in etwa so als wenn man das Rad am Auto mit einem menschlichen Bein vergleicht. Das Rad am Auto funktioniert doch in etwa so wie ein Knie, oder? Beide sind die Bauteile, die für Bewegung verantwortlich sind. Ganz grob sei doch erlaubt zu sagen ein Rad funktioniert wie unser Knie! Findet Ihr nicht? Irgendwas am Knie dreht, also darf ich das Rad doch bitteschön Bein nennen.

Ihr findet den obigen Absatz abstrus? Er ist auch abwegig, aber genau so abwegig sind die Vergleiche von Künstlicher Intelligenz mit Katzen oder Menschen.

Wahrnehmung schärfen

Es braucht gar keinem Ausflug in die Informatik der künstlichen Intelligenz – auch wenn ich sehr spannend finde und einen Ausflug empfehlen kann. Nein, alles was Ihr zur Analys braucht ist Eure Wahrnehmung. Verhalten sich heutige Systeme intelligent? Lassen wir uns mal auf einige Feststellungen ein.

Computer werden besser als wir, sie schlagen Menschen Weltmeister im Schach oder Go. Ich meine dazu, dass Computer in diesem Sinne schon immer besser als wir waren. Die ersten Computer haben Schussbahn-Tabellen schneller als Rechensäle voller Menschen berechnet. Euer Handy kann sich Termine besser merken als Ihr. Das hat eher etwas mit Speicher und Rechenpower zu tun als mit Intelligenz. Computer sind Hilfsmittel, die unsere Arbeit schon immer unterstützt haben.

Selbst-regelnde Prozesse sehen für uns manchmal intelligent aus, da sie auf ein Ziel zulaufen. Die Regeln dahinter sind jedoch oft äußerst einfach, deshalb meist auch störanfällig. Während Computer sehr gut elementare Qualitätssicherung übernehmen können, scheitern sie jedoch bei nicht berücksichtigten Zuständen. Während ein menschlicher Qualitätssicherer eine unvorhergesehene Situation manchmal retten kann, schaffen dies Regelsysteme nicht, sondern laufen erst einmal ins Chaos. Es ist im Moment auch nicht entferntesten daran zu denken, dass Künstliche Intelligenz die menschliche Koordinationsfähigkeit eines Projektleiters irgendwann einmal erreichen kann.

Auch andere für Menschen einfach auszuführende Tätigkeiten werden sind computergestützt wahnsinnige Herausforderungen, die teilweise seit Jahrzehnten nur langsame Fortschritte machen. Das erkennen von Bildbestandteilen etwa eine Katze auf einem Tisch in einem Wohnzimmer oder auch das übersetzen von Texten. Hier ist der Computer was er ist: Ein Hilfsmittel. Wenn mir mein Handy ein chinesisches Straßenschild übersetzen kann ist das absolut nützlich, aber ganz wenig intelligent.

Data und der Android haben selbst ohne Emotions-Chip eine Art Bewusstsein, auch hier absolute Fehlanzeige in aktuellen Systemen. Die einzige Furcht bleibt, wenn KI-Systeme mal so viel Rechenleistung haben wie Menschengehirne, könnte ja eventuell so etwas auch hier passieren. Das ist wie ein fortgeschrittenes Rad mal Eigenschaften eines Knies übernehmen kann.

Großer Fortschritt entsteht oft genau daraus, dass über den Tellerrand hinaus gedacht und nicht nachgeahmt wurde. Mit dem Auto fahren wir heute sehr viel schneller, als ein Mensch, Pferd oder Gepart laufen kann. Genau das wurde mit dem Computer geschaffen, ein Computer kann wahnsinnig große Datenmengen verarbeiten. In der Künstlichen Intelligenz werden genau diese Rechenleistungen genutzt, nur ganz wenige Sparten der KI befassen sich mit biologischer Informationsverarbeitung.

Angst oder besser Furcht

Ich habe keine Angst vor der technologischen Singularität, also das intelligente Maschinen die Macht übernehmen. Aber ich habe Furcht vor vielen kommenden gesellschaftlichen Herausforderungen die meist Informatik-gestützt sind.

Ich möchte ein letztes Mal mein Rad-Beispiel benutzen. Rad oder Auto haben wenig direkte Auswirkungen auf menschliches Laufen gehabt. Wir Menschen sind in bergigen Waldstücken selbst Geländewagen überlegen. Die Auswirkungen des Autos auf unsere Landschaft und Gesellschaft sind aber immens.

Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz sind zum Beispiel selbst-lernende Algorithmen, die über die Höhe eurer Autoversicherung bestimmen. Dabei scheinen Versicherungen weder zu wollen, dass wir die Algorithmen kennen noch daran interessiert sind welche Entscheidungensmuster zu Grunde gelegt werden. Wird man da gerecht behandelt?

Intelligente Messenger versuchen Euch zu helfen und aus Eurer Kommunikation heraus zu erraten, dass ihr ein Restaurant sucht, einen Flug buchen wollt, etc. dabei lernt dieses System nicht nur wie ihr Kommuniziert, sondern errät ein Muster wann ihr was benötigt. es wird nicht nur so sein, dass Euer direkter Wunsch an einen Werbepartner geht, sondern man wird auch eine Verkaufsoption im Vorfeld erkennen.

Was ist mit Robotern, die in der Pflege unterstützen? Entlasten diese Pflegekräfte physisch und zeitlich, so dass diese mehr Zeit haben sich um den Menschen zu kümmern, oder sind diese ein willkommener Weg an Pflege zu sparen?

Oder wenn ihr bei der nächsten Einreise von einem KI System als verdächtig eingestuft und auf dem grünen Ausgang wie zufällig vom Zoll heraus-gewunken werdet. Bei der aktuellen Diskussion könnt ihr mal davon ausgehen, dass ihr weder erfahrt, dass wie ihr selektiert wurdet, noch das ein KI System dahinter steckt, dessen Algorithmus intransparent ist

Sich mit diesen Fragen zu beschäftigen ist viel spannender als Angst vor Künstlicher Intelligenz und Menschmaschine Fantasien. Der Kern der Problematik wird nach wie vor die Informationsverarbeitung und Intransparenz sein, die massive Auswirkungen auf unsere Kultur haben werden. Gerechte Systeme sind nicht zu vermuten, denn Intelligent ist bei KI wenig, das meiste bleibt Menschen-gemacht.