Vergessener Meilenstein einer wunderbaren Reise

Ich bin bekennender Fan von Zertifizierungen, Wissen erwerben, herausfordernde Prüfung absolvieren, Zertifikat erwerben und dann anwenden. Bei dieser Reise war es mal anders, ich bin aber Dank eines netten Kollegen kurz zurück gelaufen, habe das Zertifikat nachgeholt und ganz froh darüber, weil es bei mir den seltenen Blick zurück eröffnet.

Es geht um eine Reise, die wir als Team gemacht haben, Lean Management war dabei eine Orientierung. Wir haben uns mächtig verändert, weil wir das so wollten und von außen viele gute Ideen kamen. In 2016 haben wir ein Training Lean Sense&Respond nach Deutschland geholt, weil ein paar von uns das ganz spannend fanden. Dabei ist das ein Methodensatz, der von Fujitsu für Service Management geschaffen wurde. Mein Team besteht aber aus Beratern und Beraterinnen, das machte die Sache ja so spannend.

In den kommenden Monaten und Jahren haben wir versucht für uns die Methoden anzupassen, haben Fehler gemacht, gelernt, wieder aufgestanden, haben uns verbessert und besser gescheitert. Und immer wenn man an sich selbst gezweifelt hat, gab es jemand im Team, der die Energie hatte einen weiteren Versuch zu gehen und einen mitgenommen hat.

Im Nachhinein kann ich nur sagen, die Methoden anzupassen war wie ein Katalysator eine Kultur im Team zu entwickeln. Als offensichtliches Beispiel fällt mir ein, alle „Concerns“ (Hindernisse in der täglichen Arbeit) wurden Anfangs mir zugewiesen, eine ganz normale Reaktion in einem hierarchischen System. Bis wir alle gemerkt haben, dass das so nicht funktioniert, da es zu viele Punkte für einen Menschen waren. Heute finden nehmen sich Teammitglieder solche Hindernisse und räumen sie selbst aus dem Weg, teilweise sogar Probleme aus der Kategorie, die Hierarchie einbeziehen. Also eigentlich gerne bei mir liegen können. „Wir haben das Problem analysiert, drei Lösungen erarbeitet und einen Termin mit der beteiligten Geschäftseinheit gemacht. Kannst du bitte dazukommen“. Ja, mache ich sehr gerne. Danke für die Vorbereitung.

Da die Aktionen und Lösungen oft gut strukturiert sind und Alternativen enthalten, stoßen wir viel seltener auf eine ablehnende Haltung als früher. Ein Beraterteam arbeitet in sehr vielen Projekten gleichzeitig, deshalb gibt es recht viele verschiedene Hindernisse in unserer Arbeit, diese werden mit einer sehr tollen Geschwindigkeit aus dem Weg geräumt. Alle im Team sind motiviert anzupacken, deshalb könnt ihr euch sicher vorstellen, was das für einen positiven Einfluss auf unsere Arbeit hat. In der Rückschau kommt es mir reichlich dumm vor, all diese Hindernisse durch eine Person „dem Manager“ als Flaschenhals zu schleusen. So kann ich mich auf die Probleme konzentrieren, die in der Hierarchie liegen oder Neuland sind. Mit anderen Worten, meinen Rücken gezielt hinhalten.

Manche Entscheidungen, die aus heutiger Sicht absolut logisch oder gar notwendig erscheinen, waren mir damals gar nicht so klar. Das herausragendste Beispiel hier, aus der Frage warum wir technische Berater so wenig weibliche Bewerberinnen (und damit Teammitglieder) haben, konnten wir in Folge vier tolle Beraterinnen einstellen und ich bin mir sicher, es werden in Zukunft sogar mehr. Heute ist uns allen klar, dass diese Entscheidung eine absolute Bereicherung unserer Kompetenz ist. Ich glaube sogar, dass aus den größten Zweiflern dieses Vorhabens heute die größten Fans erwachsen sind.

Überhaupt Entscheidungen, ich finde es amüsant, wenn in einem Hollywood Film die Helden immer alles besser können, als ihr Team. Nehmen wir mal Chefingenieur „Scotty“ der nun alles auf dem Raumschiff Enterprise als eine Art eine One-Man-Show repariert, verbessert, löst. Dabei hat er doch Techniker, die tagtäglich neben ihren Aggregaten stehen und sich damit viel besser auskennen. Scotty sollte hie und da mal als Coach seine jungen Techniker fördern. Ok, ist ja nur Fiktion. Neben der Förderung Einzelner, haben wir auch die Herausforderung von sich rasant entwickelnder Technik. Hier Vorhersagen für die Zukunft zu machen, ist wunderbar im Team aufgehangen, da hier mehr Gehirn und Bauch liegt. An Entscheidungen festhalten ist Chefsache, aber in komplexen Zusammenhängen den Weg finden besser in Expertenteams aufgehangen.

Zum Thema Effizienz, einem der Hauptthemen von Lean, kann ich auch nur erstaunliches berichten. Wir helfen, unterstützen und verbessern uns uns gegenseitig, wir sind oftmals die schnellsten und haben die Gesamtleistung um ein Vielfaches gesteigert. Zumindest wenn man die internen wie externen Kunden als Maßstab sieht. Auch hier ist eine tolle Zusammenarbeit mit unseren Service Management Nachbarn entstanden. Wenn ich heute Schlagzeilen lese „Firmen wollen zurück ins Büro, um ihre Mitarbeiter besser zu kontrollieren“ wundere ich mich, als wenn wir in einer anderen Welt leben würden. Ich kontrolliere nicht, ich biete meine Hilfe an und versuche auf Stand zu bleiben, wie es allen geht. Hier möchte ich auch dem Team danken, da wir alle aufeinander aufpassen. Persönliche Krisen egal ob klein oder groß, sind Bestandteil unseres Lebens, wir sind da und stehen füreinander ein, damit wir einander wenigstens hier eine Entlastung schaffen. Noch ein Satz zum kontrollieren, wenn mir etwas wichtig ist, arbeite ich mit, wie alle anderen auch.

Schöne Reise merke ich gerade, ich könnte davon noch einige Absätze erzählen. Vielleicht schreibe ich mal über die Herausforderungen. Die Arbeit für uns alle wird ja nicht weniger, nur anders. Effizient werden ist toll, effizient sein kann eine Bürde sein. Ich danke auf jeden Fall für die Anregung das „Bronze Zertifikat“ doch noch abzulegen. Auch wenn wir eigentlich bestimmt schon irgendwie „Silber“ Berater-innen sind. Auch darum kümmern wir uns und ich verspreche diesmal dauert es nicht vier Jahre. Hier ist es:

P.S.: Wenn ihr wissen wollt, wohin die Reise geht. Im Herbst 2019 und Januar 2020 haben wir als Team ein Agile Training gemacht 🙂 Wobei ich stehe zu den anfänglichen Worten, auch Agile ist nur ein Weg um Kultur anzuregen.

Lean Management für Consultants

Bei Fujitsu wird in vielen Bereichen für die Service Erbringung eine Lean Managment Methodik Namens Sense&Respond® eingesetzt, um Verbesserungen im IT Betrieb zu erzielen. Diese hat mich vor einiger Zeit interessiert, dann fasziniert und vor ca. 2,5 Jahren kam die Idee auf dies auch in meinem Bereich das heißt für Presales Consultants einzusetzen.

Wir sind ein Team von Presales Beratern für End User Services, das heißt vielfach sind wir in unterschiedlichsten Projekten unterwegs, um Kunden zu beraten, Geschäftswert von Workplace zu beleuchten, Lösungen gemeinsam zu entwickeln, Angebote zu schreiben oder Probleme zu lösen.

Lean Managment dort anzuwenden stieß auf zwei typische Antworten. Erstens „Lean ist doch alt und out, warum machst Du nicht Agil?“ oder zweitens „Lean ist doch was für die Produktion, nicht für Beratung“.

Falls Ihr auch dieser Meinung seit kann ich Euch vielleicht mit folgenden Stichworten zum weiter lesen (und nachmachen) animieren:

  • In dem zentralen Bereich „Blueprints“ sind wir doppelt so Produktiv geworden
  • Wir haben unsere Weiterbildung zu 100% im Griff, was bei den aktuellen schnellen Entwicklungen im Workplace Bereich ein echter Vorteil ist
  • Bei Überstunden und Reisezeiten (ca. 30% der Zeit) sind wir weit besser als der Marktdurchschnitt und
  • Wir kennen tatsächlich unseren Wert als Berater für den Kunden, das heißt, was wir tun sollen und was Müll ist

Das Problem war tatsächlich sämtliche Lean Managment Methodiken und Erfahrungsberichte drehen sich um Produkte oder Services. Meist eine  laufende Fabrikation bei dem das gesamte Team eine gemeinsame Aufgabe hat. Bei uns ist nur die Arbeitsweise „Beratung“ ähnlich, die aktuellen Produkte „Schaffung von Geschäftswerten“ äußerst unterschiedlich. Es war demnach eine ganz schöne Reise Lean Methodiken bei uns Beratern anzuwenden. Von dieser Reise möchte ich Euch gerne in diesem Artikel und folgenden berichten, aber eine wichtige Warnung zuerst.

So ein Denkprinzip wie Lean entfaltet seinen Wert, in dem Teammitglieder selbst Verbesserungspotential heben und man gemeinsam darauf reagiert, daher auch der Name der Methode Sense&Respond: Nehme Dinge wahr und reagiere geeignet darauf.

Wenn Ihr Euch unsere Methoden anschaut, nehmt sie nur als Beispiel. Es kann sein das sie für Euren Bereich gar nichts taugen (aber natürlich auch sensationell sind :-). Tools und Methoden sind ein Baukasten der angepasst werden muss. Methoden dürfen keine sinnfreie extra Arbeit bedeuten, sondern sie müssen einen Wert haben.

Lean Management ist eine Reise mit Irrungen und Erkenntnissen, ich kann es nicht mit einem Schalter einschalten oder an ein Qualitätsteam delegieren. Ihr seid also gewarnt.

Mein Team ist in ganz Deutschland verteilt, das funktionierte in der Vergangenheit tatsächlich schon ziemlich gut, die räumliche Verteilung ist jedoch für die Einführung von Lean Sense&Respond nicht gerade förderlich. Wir haben für die ersten Schritte wie Definition der Mission sehr lange gebraucht auch die ersten Problem Solving Sessons zogen sich ewig. Für mehr Geschwindigkeit sorgen tatsächlich kleine Teilgruppen, die eine Maßnahme größtenteils vorbereiten und gemeinsam abstimmen. Die vorbereitenden Schritte muten zwar wie Pflichterfüllung an, schaffen aber ein gesichertes gemeinsames Verständnis.

Der für mich spürbarste Durchbruch war das Quality-Function-Deployment (QFD). Wir haben unsere internen wie externen Kunden befragt was sie sich von uns wirklich wünschen und warum. Also was wünscht ihr euch von einem Presales Team, nicht etwa was wünscht ihr euch von den Services, die wir helfen zu verkaufen. Viele der gefundenen Punkte kannten wir schon, aber das QFD hat diese in die richtige Priorität gesetzt, auch sind dort Punkte herausgekommen, die zu unserer Weiterentwicklung dienen. Zum Beispiel wünschen Kunden sich verursachungsgerechte Kosten am liebsten 1:1 abgebildet auf deren Kostenstellenstrukturen. Der Nachteil ist jedoch, das so ein Vorgehen die vorgegebenen Preisblätter verändert. Aber diese Anregung ist absolut vailde, denn nur so können wirklich effektiv Kosten vermieden werden. Aus dem QFD haben wir einen Satz Orientierungsregeln und Beratungs-Know-How geschaffen, die uns Vorgehensweisen gut abschätzen lassen und auch einige No-Gos beinhalten.

Unser wöchentliches virtuelles Teammeeting haben wir umgebaut, dies wird nun reihum moderiert und Erfolge, wie Bedenken (Concerns) strukturiert. Aus Concerns die das Team oder die Organisation angehen werden Nachfolgeaktivitäten abgeleitet. Dies kann ganz Lean üblich zum Beispiel eine Problem Solving Session sein. Das Wichtigste, was dabei entstanden ist, ist eine gegenseitige Verantwortung.

Als wir mit Sense&Respond angefangen haben bin ich in Concerns, die mir zugewiesen wurden untergegangen. Zum einen weil wir das erste Presales Team bei Fujitsu überhaupt sind, d.h. unsere Nachbarn in der Organisation kannten das nicht, zum anderen aber auch, weil wir das Mandat, was Lean einem jeden von uns gibt, nicht ganz verstanden haben beziehungsweise die Verantwortung dafür noch nicht verinnerlicht haben.

Ich muss zugeben, dass ich mir auf der ganzen Reise zu unserem eigenen Qualitätssteigerung-Baukasten immer wieder unsicher war. Viele Methoden und Vorgehensweisen, die wir erfunden haben, stellten sich in der Version 1.0 nach einigen Monaten als unbrauchbar heraus. Sie fingen an nach Bürokratie zu riechen, nervten oder waren Informationsgräber. Wir haben in den letzten 2,5 Jahren unsere Methoden nun zum dritten Mal nachgeschärft. Soll heißen manches wurde tatsächlich nur aufpoliert, weil man über die Zeit vergessen hatte, das diese Methode doch wertvoll ist und anderes wurde komplett neu gemacht oder über Bord geschmissen. Im Allgemeinen kann man sagen, wann immer wir eine neue Methodik oder Herangehensweise schaffen: Es dauert typischerweise ein Jahr bzw. ein Redesign bis das zu jedermanns Spaß läuft.

Nach den langen Monaten Erfahrung mit Sense&Respond ist das Hauptergebnis ein eng zusammenarbeitendes Team das mit großem Engagement Missstände angeht, Qualität verbessert und Effizienz fördert. Auch, wenn das in einer Organisation und Kunden immer anstrengende Phasen hat. Mein Team war ohnehin schon ein tolles Team, nun haben wir aber ein tiefes Verständnis unserer Mehrwerte und Macken. Die Mehrwerte fördern wir, helfen uns gegenseitig bei unseren Macken, und zwar viel selbstverständlicher als zuvor.

Ich habe diesen Blog-Beitrag als Beginn einer kleinen Serie gestartet, weil ich mir sicher bin das Lean Methodiken bei uns im Team eine lange Zukunft haben werden und auch andere Berater-Teams befruchten kann. Ich werde Euch hier an dieser Stelle gerne weitere Details berichten, sprecht mich aber auch gerne jederzeit an.