Strategisch überall hin

Letztens war ich Zeuge eines peinlichen Akts, bei dem in Anwesenheit von Externen – nämlich mir – ein komplettes Führungsteam von dem eigenen CIO zusammengefaltet wurde. Das eigentlich erschreckende war die dann präsentierte Strategie. Aber eins nach dem anderen.

Wir waren Vor-Ort um ein Angebot bei einem First-Generation-Outsourcing zu diskutieren. Im Grunde ging es darum, ein Wachstum der eigenen IT dadurch zu gewährleisten, das einige Teile der Liefernleistung an einen externen Provider vergeben werden sollten. Die verbleibenden Teams sollten auf bestehende IT Services verteilt werden, um dem anorganischen Wachstum der Firma gerecht werden zu können.

Auf diesem ersten Termin versuchten wir den Reifegrad der internen Serviceerbringung herauszufinden und festzustellen auf was es dem Kunden ankommt: Industrialisierung versus Abbildung des Ist-Betriebs (Kundenanforderungen), die Güte der Leistungen in der Zentrale versus der Auslandsstandorte (Qualität) und den nicht zu vernachlässigbaren Kostenaspekt.

Der Gedankenaustausch mit dem Führungsteam war sehr rege jedoch viel auf, dass sich der CIO nicht beteiligte und sich sein Gesichtsausdruck zunehmend verfinsterte. Irgendwann packte er sein Subnotebook aus, wies mit einem Handzeichen einen Mitarbieter an das Beamer-Kabel zu reichen. Nach ein paar Handgriffen unterbrach er mit deutlichen Worten die Diskussion und herrschte seine Mannschaft an: Wie oft er denn noch daran erinnern muss sich an der vereinbarten IT Strategie auszurichten oder ob daran Etwas noch nicht verstanden sei?

Der Beamer projizierte eine IT Strategie in 5 Dimensionen, wie sie austauschbarer nicht sein konnte. Die interne IT sollte weltbeste Leistungen erbringen, höchst Standardisiert, überlegene Innovationen bieten, zu niedrigsten Kosten arbeiten, dabei maximale Qualität, beneidenswerte Zufriedenheit interner Kunden gepaart mit intimstem Verständnis der Geschäftseinheiten, maximaler Flexibilität gegenüber Kundenwünschen und das mit den professionellsten, motiviertesten Mitarbeitern die der Markt zu bieten hatte.

Wir waren beschämt wegen es Anschisses unserer Berufskollegen und beneideten sie nicht gerade mit so einer Strategie „arbeiten“ zu müssen. Im folgenden gab es kaum noch Rückmeldungen der Fachkollegen, sie lenkten die Antworten an ihren Chef, der mit einer Lehrer-Attitüde unsere Fragen beantwortete. Das Meeting endete mit gesenkten Köpfen und einem höflichen Abschied.

Kurz Innehalten

An dieser Stelle unterbreche ich die Erzählung und Frage mich: Warum ist das so? Warum sind viele Strategien: „Wir wollen Alles, in höchster Qualität zu günstigsten Konditionen“? Somit keine Strategie sondern ein Allgemeinplatz.

Vermutlich weil bei der Strategieberatung nicht mit dem übergeordneten Ziel angefangen wird, sondern mit der Strategiebildung in allen Dimensionen. Oft ist ein Hauptziel gar nicht so leicht zu identifizieren und manchmal sogar gar nicht wichtig. Vielleicht ist dem Führungsteam sehr klar, dass man bei 80% der Workplaces die Standardisierung sehr weit treiben möchte um Kostengünstig anzubieten, aber bei 5% größte Flexibilität zeigen um VIPs bestens zu bedienen. Was das für das Hauptziel bedeutet ist dann nicht mehr naheliegend (oder soll nicht schriftlich ausgesprochen werden).

Meiner Meinung ist es viel einfacher eine Strategie in jedem IT Fachteam festzulegen und hieraus die Taktik abzuleiten.

Szenario

Nehmen wir mal an das ITSM Team möchte anorganische Wachstumsanforderungen durch Zukauf von IT Services ermöglichen, die heute selbst heterogen in verschiedenen Eigenen und zugekauften Geschäftsbereichen erbracht werden.

Nehmen wir weiter ein First-Generation-Outsourcing an, bei dem man sich seiner Reife bewusst ist. Deshalb wird wegen des fachlichen Gegenwinds aus den Regionen im Dreieck aus Anforderung, Qualität und Kosten der Spielstein zuerst auf „Anforderung“ gesetzt, um im nächsten Schritt auf die Kante „Anforderung-Kosten“ zu bewegt zu werden.

Anforderungsdreieck

Demnach ist die Strategie:

  • Entwicklung durch lernen. Annehmen, Korrigieren, Weiterentwicklung, Unabhängigkeit

Die Taktik:

  • Von einem hochwertigen, flexiblen Provider lernen,
  • geschäftsrelevante Leistungsanforderungen aus-tarieren,
  • Steuerungen und Messgrößen entwickeln und
  • diese nach Ablauf des ersten Vertrags in eine neue Ausschreibung entwickeln, die nun Kosteneffizienteren Service im Fokus hat.

In diesem Beispiel habe ich natürlich einen Schritt übersprungen und gleich eine Strategie gewählt, die zu einer internen IT passt, die widersprüchliche Ziele verfolgt. Aber auch das darf ja sein, es gibt Bereiche in der IT die sehr stark mit dem Geschäft verbunden sind und einen direkt messbaren Mehrwert bieten. Andere Bereiche sind eher Bereitstellung einer breit verwendbaren Infrastruktur oder gar experimentell.

Es muss nicht immer die Strategie „alles toll“ sein. Das wir alle gut sein müssen, kostengünstig, effektiv und effizient, wissen wir. Lieber CIO was ist dein Fokus?

P.S.: In dem Meeting hatte mich vor allem die Dimension „Mitarbeiter“ in ihren Bann gezogen. Der Kunde hat seinen Hauptsitz in einer ländlichen Region und große Schwierigkeiten überhaupt an IT Mitarbeiter zu kommen. Außerdem stellte man seit Jahr und Tag für das Jahresgehalt eines Profis lieber zwei schwächere Mitarbeiter ein. Aber vermutlich muss man die Strategie nur richtig interpretieren, das waren eben die günstigen Profis, an deren Motivation man noch etwas feilen muss. Oh Mann.