Bei Veränderungen gibt es eine Late Majority, die einer Transformation fast immer negativ gegenübersteht. Selbst wenn ein altes System aus dem letzten Loch pfeift, finden diese Gruppen immer noch Gründe, warum ein neues System, ein neuer Prozess oder eine neue Herangehensweise richtig schlecht ist und das Unternehmen in den Ruin treiben wird.
Die Late Majority ist dann die letzte aktive Gruppe, die an der Änderung mitwirkt. Wenn sie dann irgendwann auch emotional mit der Veränderung durch sind, das neue System sehr gut läuft, neue Kunden gewonnen wurden und so weiter, dann kommen manchmal von den gleichen Leuten Aussagen wie, ich habe ja immer gewusst, dass das neue System so hervorragend für uns ist.
Ich unterhalte mich gerne mit diesen Leuten bei einem Kaffee, um zu verstehen, wann der Meinungsumschwung stattgefunden hat und ob ich diesen in irgendeiner Weise hätte beschleunigen können. Das Erstaunliche ist, dass alle, die ich angesprochen habe, bestreiten, jemals Gegner des Neuen gewesen zu sein.
Selbst wenn der Tischnachbar noch einmal bestätigt, aber du hast doch damals aktiv gegen das Neue gearbeitet, kommen nur Ausflüchte wie, das war ja auch nicht so gemeint. Egal wie transparent oder fehlertolerant der Kunde war, immer wird geleugnet, jemals gegen das Neue, nunmehr besser Funktionierende gewesen zu sein.
In diesem Zusammenhang sind anfängliche Vorbehalte durchaus verständlich. Wenn eine Organisation zu lange gewartet hat, auf Verschleiß gefahren ist, ist das Personal oft so belastet, dass eine Transformation wie eine wahnsinnige Last erscheint. Wenn nach einer erfolgreichen Transformation ein anfänglicher Gegner sagt, ja, ich dachte, das kann die Mannschaft nicht auch noch schultern. Ist das sehr verständlich.
Für Veränderungsprozesse sind auch die Zurückhaltenden sehr wichtig, sie helfen zu Beginn bei der Stabilisierung und am Ende haben sie manchmal die Chance, das neue System noch besser einzuführen als die Early Adopters. Traut euch, zuzugeben, dass ihr am Anfang Bedenkenträger wart, denn daraus können wir alle lernen.
In den sozialen Medien wird oft über ungerechtfertigte Kritik oder herablassende Bemerkungen aufgrund des Geschlechts, der Herkunft, der Kleidung usw. geklagt. Solche Klagen werden dann gerne mit der Aussage garniert, dass andere gesellschaftliche Gruppen unter solchen Dingen nicht zu leiden hätten. Meiner Erfahrung nach ist ausgrenzende Kritik sehr universell und missbraucht gerne Äußerlichkeiten wie irrelevante Eigenschaften oder Hobbys. Hauptsache, es ist ein billiges Vehikel, um die angegriffene Person zu ächten.
Ich bin und war an sehr vielen Veränderungsprozessen beteiligt, und da hört man diese Sprüche sehr oft in der Kaffeeküche. Manche Führungskräfte, die Veränderungen vorantreiben, kriegen ihr Fett weg. Diese Verunglimpfungen werden oft von den Laggards getrieben, das sind die Leute die als allerletzte die Veränderungen übernehmen. Als Außenstehender bin ich eher selten betroffen.
Aber einmal ist es mir passiert: Ein Unternehmen musste dringend seine dezentrale, inhomogene IT effizienter machen, weil es rote Zahlen schrieb. Nach einigen Monaten des ersten Fortschrittes gab es ein großes Projektmeeting, in dem Alternativen diskutiert werden sollten. Ein Geschäftsbereich war kurzfristig dazugekommen und hatte einen Vertreter geschickt. Ich war eigentlich nur Gast und saß ganz hinten im Raum.
Dieser Vertreter hat eine kleine Umbaupause genutzt, ist nach vorne gegangen, hat sich das Mikrofon geschnappt und hat mich als Person beschimpft. „Ob man sich von diesem bescheuerten Deutschen was sagen lassen will“ war noch die harmlosere Variante. Ich war sehr überrascht, Adrinalin schoss durch die Blutbahn, aber ich konnte die Zeit der Beschimpfung nutzen, um mich zu sammeln.
Ich ging langsam nach vorne, stellte mich neben ihn, schaute ihn an und deutete mit den Händen an, dass ich das Mikrofon haben wollte. Er war sehr verwirrt, sprach weiter, ich machte die Handbewegung ohne etwas zu sagen. Er gab mir das Mikrofon und ging zu seinem Platz zurück. Ich fasste kurz zusammen, dass wir alle hier sind, um Alternativen zu diskutieren, bat ihn um konstruktive Mitarbeit und verbot ihm, mich persönlich anzugreifen. Konstruktive Kritik an meiner Arbeit sei jedoch immer willkommen. Er rief noch etwas Unverständliches von seinem Platz, dann war Ruhe.
Ich finde es wichtig, kurz auf den Angriff zu kontern. Nicht auf den Inhalt, denn ein solcher Angriff hat keinen Inhalt. Das kann so niederschwellig sein wie ein Slow Blink, den ich zwei Damen zuwarf, die ich bei einem Konzert nicht vordrängeln lies, die sich dann mit zwei Reihen hinter mir begnügen mussten und mich dann herablassend mit Äußerlichkeiten und vermeintlichen Eigenschaften beleidigten.
Oft erfährt man so etwas erst über eine zweite Person, auch da spreche ich es immer an. Dabei verzichte ich auf Verdächtigungen, sondern spreche eher über die Inhalte. „Ich habe gehört, du magst die anstehenden Veränderungen nicht“, die Reaktionen sind vielfältig, von „Doch, doch, alles gut“ über konstruktive Kritik bis hin zu „Ja, der Meyer ist ein Arsch, schau mal, was für eine Prozkarre der fährt“.
So eine herablassende Kritik kann einen ganz schön treffen. Weil man gerade einen schwachen Moment hat, weil man mit anderen Dingen im Projekt kämpft, weil die Kritik geschickt einen wunden Punkt getroffen hat.
Wenn mir so etwas passiert ist, setze ich mich damit auseinander. Ich suche nach Ursachen, warum es mir nahe gegangen ist und versuche, es für mich abzuschließen. Ein wichtiger Prüfpunkt ist: Würde ich diese Person um Kritik bitten? Wenn nicht, ist die Kritik nicht für mich, sondern sagt vielmehr etwas über die Gegenseite aus.
Kritiker der Nasenlängen sind nevig und verdienen keine Beachtung. Du kennst mich nicht oder den Inhalt nicht, dann hast du kein Recht auf Kritik.
Abschließend ein kurzer Gedanke zu guter Kritik. Wenn es sich um eine Mentor-Mentee-Beziehung oder eine Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehung handelt und man um Kritik zur Verbesserung gebeten wird. Aus der Beobachterperspektive kann man Stärken hervorheben und Schwächen als Alternativen anbieten. Statt „In der Kundenansprache musst du noch einiges lernen, Kalkulation und Technik kannst du schon sehr gut“ kann man sagen, was man schätzt: „Wenn wir beide beim Kunden sind, finde ich es toll, dass du mir die Technik und die Zahlen abnimmst. So kann ich mich ganz auf den Kunden konzentrieren.“ Als Einstieg in ein Gespräch können so einige Verbesserungsideen entwickelt werden, der Gesprächspartner hat maximale Freiheit, sich Alternativen zu nehmen und diese zu diskutieren.
Kennt ihr solche Aussagen von Kollegen „Ja, ich habe auch mal Zeitmanagement Methode X versucht, aber in meinem Arbeitskontext passt das nicht, weil … schreibt sogar Autor Y“? Eine solche Aussage kann sogar stimmen, hat aber auch gar nichts mit der Einführung eines persönlichen Systems für Zeitmanagement zu tun. Schon gar nicht mit der Chance das zu meistern oder daran zu scheitern.
Zeitmanagement ist wie Selbstmanagement meiner Meinung nach ein höchst individueller Ansatz. Ihr müsst Methoden aus diversen Zeitmanagementmethoden finden, die zu euch passen könnten, ausprobieren, verändern, noch mal ausprobieren, nach mal anpassen und manchmal auch Dinge, die sich zuerst gut angeführt haben wieder verwerfen. Das richtige Maß an Durchhaltevermögen ist hier entscheidend, denn Zeitmanagement einführen ist Veränderungsmanagement. „Zeitmanagement: Veränderung verwirklichen“ weiterlesen