Gestaltung von Bewerbungen

Vor der Heilung kommt die Aufregung, zumindest hier möchte ich mich leicht echauffieren. Vor Kurzem hielt ich die Bewerbung eines Universitätsabsolventen in der Hand, diese war inhaltlich gut, eventuell wäre eine Seite kürzer noch besser und die Gestaltung war quietschig, überladen, bunt. Nichtsdestotrotz konnte ich gut erkennen das sich dieser Berufsanfänger mit dem typographischen Design seiner Bewerbung auseinandergesetzt hatte. Gleiches war gleich ausgezeichnet, es gab nur einige Hervorhebungen und das Gesamtbild war stimmig. Insgesamt eine gute Bewerbung, über Geschmack lässt sich eben streiten.

Nun habe ich über Wochen hinweg Bewerbungen gesehen, die jegliche Gestaltung vermissen lassen. Bewerbungen von Berufserfahrenen auf eine Stelle als Senior Berater. Es wird einfach Lebenswerk, Berufserfahrung und Ausbildung untereinander-getippt, schluderig mit Leerzeichen eingerückt, in Kardinalfällen ignorieren  die Autoren sogar die Zeilen- und Seitenumbrüche in Ihrem zu PDF geronnenen Machwerk. Wie gesagt wir reden über die Position eines gestandenen Beraters.

Ich frage mich wirklich, ob solchen Bewerbern zwei unterschiedliche Persönlichkeiten innewohnen: Eine Person die tagsüber perfekt mündlich, wie schriftlich mit Kunden kommunizieren kann, ein solides Basiswissen Typografie und Kommunikation mitbringt. Sobald die Sonne untergeht tritt vor dem heimische Computer ein Mr. Hyde zu Tage, der Buchstaben wild verteilt und die Textverarbeitung wie ein 12-Jähriger benutzt.

Aber gut, als ein erster Schritt zur Heilung sei dem typografischen Anfänger das Buch „Erste Hilfe in Typografie“ von Hans Peter Willberg und Friedrich Forssmann ans Herz gelegt. Es ist günstig, gut und schnell zu erfassen. Perfekt für den gestressten Dr. Jekyll und garantiert einen professionellen ersten Auftritt.

Wichtig, Wichtiger am Wichtigsten

Manchmal – ganz kurz – sehne ich mich zurück und möchte meinen Monitor gegen ein 90-iger Jahre 21″-Paperwhite Exemplar tauschen. Aus dem einzigen Grund: Von Mitmenschen verbrochene Rich-Text-E-Mails oder Dokumente in ihrer Wirkung etwas abmildern zu können.

Da wird munter mit Farben und Auszeichnungen rumgeklotzt, dass es einem in den Augen vor lauter Hervorhebung wehtut. Der erste Fehler ist natürlich, dass Textverarbeitungen und E-Mail-Clients so einen Müll auf einen Mausklick bereitstellen.

Wichtig wichtiger

Der zweite Fehler ist jedoch schlimmer: Man tut Unbildung und Verwirrung kundtun.

Zerlegt man ein Dokument mit duzendfacher Auszeichnung in dessen unterschiedliche Bestandteile, stellt man fast immer fest, das trotz mannigfaltiger Unterstrechung und Hervorhebung es dem Autor entglitten ist: Wichtiges wird nicht von Unwichtigem unterschieden. Ganz so wie Studierende Bücher und Skript mit dem Textmarker durcharbeiten. Dinge sind so lange wichtig, wie der Arm noch nicht weh tut.

Also noch mal zurück auf Los. Die Dinge sind erst gut, wenn sie nicht mehr vereinfacht werden können.

  1. Text sortieren und gliedern. Auch wenn es nur eine E-Mail ist. Was soll der Leser verstanden haben? Mit einem Element beginnen: Wenn der Leser fast nichts versteht, welcher Inhalt muss verstanden sein? Jetzt auf zwei Elemente erhöhen.
  2. Überschriftsebenen gliedern den Text, so wenig wie möglich, so viel wie nötig.
  3. Kursiv für Dinge die während des Lesens auffallen sollen. Kursiv verlangsamt das Lesen. Bitte keine ganzen Passagen kursiv.
  4. Fett zieht wie ein Schlagwort im Lexikon die Aufmerksamkeit an sich. Was soll der Leser beim ersten Anblick des Dokuments erfassen?

Fertig, mehr braucht es nicht. Wer mehr über Typografie wissen mag: Typografie mit dem OpenOffice.org Writer

P.S.: Wenn sich 12-jährge zum ersten Mal schminken, kommt doch auch die Mama mit dem feuchten Tuch und macht der Sache ein Ende. Warum gibt es solche Zuwendung nicht auch in der Geschäftswelt? Ich gäbe etwas darum.

Typografie von Diplomarbeiten

Frisch von der Werkbank für den morgigen Vortrag schon mal hier den gestalterischen Teil “Typografie von Diplomarbeiten (3,8 MB .PDF)”. Ich werde mit drei Beispielseiten versuchen zu zeigen, wie man sich von „macht mein Office-Paket eben so“ bis an gute typographische Gestaltung heran kämpfen kann. Es geht um „gut“ nicht um den perfekten Lichtsatz, leider kommen im .PDF die Beispielseiten nicht so gut rüber, mal sehen vielleicht löst das ein späterer Artikel.  Das Intro wurde mal wieder neu gemacht, diesmal mit Neon-Licht. Die Diskussion zu freien Schriften wandert in den Backup-Teil.

Alle zwei Jahre wird auch “Diplomarbeiten mit OpenOffice.org” erneuert, dort habe ich die Bezeichnungen und Screen-Shots sind aus dem OpenOffice.org 3.3. RC8 angepasst. Auch wurden einige Altlasten rausgeschmissen, der Text sprach im Nebensatz noch von Disketten 🙂