Fotoapparat, Spiegelreflexkamera, DSLR als Webcam für Zoom, Teams, Jitsi und Co.

Drei Personen, die 1,5 Meter Abstand einhalten, mit einer marktüblichen Webcam in einem Zoom-Meeting aufzuzeichnen ist schlicht unmöglich. Wenn eine typische Webcam so weit in den Raum gestellt wird, dass alle Personen ins Bild passen, schlägt der Fixfocus zu. Die Aufnahme ist unscharf und in unserem Fall kam noch wenig Licht dazu. Ein nicht zu unterschätzendes Detail ist noch die USB-Kabellänge der Webcam.

Um für das nächste Mal gerüstet zu sein und weil es ein schönes Spielzeug ist, erinnerte ich mich daran, dass es für manche Canon DSLR Beta-Treiber gibt, um diese als Webcam zu nutzen. Leider eignete sich meine Canon-PowerShot-Reise-Kamera nicht für diesen Einsatzzweck.

Bitte beachtet, dass eure Kamera vermutlich nicht für den Einsatz als Webcam konzipiert wurde und bei dem Gebrauch als Webcam leiden kann. Bitte informiert euch bei dem Kamerahersteller ob und wie sich euer Gerät dafür eignet. Wie immer ist alles was ich hier beschreibe auf eigne Gefahr.

Ausgangspunkt für meine Recherche waren zwei Webseiten: Eine Anleitung für Linux die gphoto2 nutzt und die Canon Webcam Utility Beta Treiber. Es müsste sich doch eine günstige gebrauchte Kamera finden, die sowohl auf der Liste der unterstützen Kameras von gphoto2 steht, als auch von Canon unter Windows bzw. Mac unterstützt wird. Bitte beachtet, diese Beta Treiber gibt es nur bei Canon USA und in den USA heißen die Kameramodelle manchmal anders als bei uns. Zum Beispiel die von mir erworbene Canon „EOS 1300D“ heißt in den USA „EOS Rebel T6“.

Bei Gebrauchthändlern kostet eine EOS 1300D so ab ca. 200 EUR. Meine Kamera kommt aus privater Hand, keine 2 km entfernt mit zwei Zoom-Objektiven und unter 1.000 Auslösungen.

Canon DSLR als Webcam

Die Kamera lief unter Linux sofort mit obiger Anleitung. Die von der Kamera bereitgestellte Auflösung ist merkwürdigerweise 1056×704 (bei ca. 20-25 fps). Unter Linux sind die Kamerafunktionen an der Kamera nicht zu bedienen, jedoch via gphoto2 steuerbar. Das Modus-Wahlrad sollte auf „P“ oder „Auto“ stehen, in Einstellung Video ändert sich wenig, außer das die Frames-per-Second (fps) auf ca. 15 fallen. Das Objektiv auf manuellen Focus „MF“ stellen und am Objektiv-Ring scharf stellen. Die Kamera ist nun unter Zoom, Teams, Jitsi und Co als Ressource einbindbar. Das funktioniert auch parallel z.B. zum lokalen Mitschneiden des Videos.

EOS1300D unter Linux im VLC

Unter Windows zeigte die Kamera nur eine Art Splash Screen mit der Aufschrift „EOS Webcam Utility BETA“. Das deinstallieren sämtlicher anderer Canon Tools hat tatsächlich geholfen und es kommt ein Live-Bild. Diesmal ist die Auflösung 1280×720, die Kamera per Modus-Wahlrad auf „Video“ stellen und sie bleibt teilweise bedienbar z.B. Autofocus. Wobei in VLC, Skype und Zoom ist das Video quadratisch mit schwarzen Balken an den Seiten, also eher 720×720. Das Mikrofon der Kamera funktioniert in beiden Varianten nicht.

Eventuell findet ihr heraus welcher Teil der EOS Utilities tatsächlich deinstalliert werden muss, bzw. ob man die Tools nicht schlafen legen kann. Einfaches beenden der EOS Utilities reichte bei meiner Installation leider nicht (EOS Webcam Utility Beta 0.9.0 for Windows 04/28/20). Einige Anwender berichten, das diese Lösung nicht mit jeder Video-Software funktioniert.

Nachtrag, aktuell gibt es die EOS Webcam Utility in der Version 1.1, also kein Beta-Status mehr.

EOS1300D unter Windows im VLC
EOS1300D unter Windows im VLC

Diese Kamera schafft im eingebauten Video Modus,  also wenn man mit der Kamera selbst filmt und auf die SD Karte aufzeichnet, eine Auflösung von 1920×1080 (Full HD). Ich nehme an, dass die Webcam Auflösung im Grunde eine Art Voransichtbild für das computergestützte Aufnehmen (Tethered Shooting) ist.

Der Einsatz als Webcam

Ein Zoom-Objektiv an der Webcam zu haben ist wirklich einzigartig. Leider ist so eine Kamera etwas zu schwer, um wie eine Webcam per Clip oben an den Monitor gehängt zu werden. Da muss ein Reise-Stativ oder ein Mini-Stativ her. Bei meinen Platzverhältnissen und der recht leichten EOS1300D wäre ein Mini-Stativ auf der Fensterbank super. Das ist bauartbedingt jedoch sehr fummelig zum Positionieren der Kamera. Ich habe mir eine Schwanenhals-Stativ gekauft, das die ca. 750g Kamera mit Objektiv tragen kann und die Kamera hinter bzw. neben den Monitor platzieren lässt.

Es lohnt sich die Anschaffung einer externen Stromversorgung oder von Wechselakkus. Ich habe an einem Abend ausprobieren eine Akku-Ladung geleert. In einer Videokonferenz hält der Akku meiner Schätzung nach eine bis max. zwei Stunden. Ein Kameranetzteil kostet im freien Zubehörhandel ca. 20 EUR.

Ein 2 m USB-Verlängerungskabel hilft, um die Kamera etwas weiter weg vom Notebook im Raum zu platzieren. Mit gphoto2 könnte sogar die Verbindung via WLAN klappen, habe ich aber noch nicht ausprobiert.

Bei unbekannten Innenräumen lohnt es sich Beleuchtung mitzunehmen, da bestehende Beleuchtung eventuell nicht flimmerfrei ist oder nicht ausreicht.

Fazit

Die DSLR-Webcam Bastellösung eignet sich vor allem für Leute, die schon eine Kamera haben bzw. die Spiegelreflexkamera auch in ihrem eigentlichen Einsatzzweck nutzen.

Für meinen Zweck einer Hobby-Videokonferenz aus einem Raum mit mehreren Leuten ist so eine DSLR-Lösung mit passendem Zoom-Objektiv auch prima. Die Kamera eignet sich sogar, um vorher und nachher Fotos bzw. Videos zur Dokumentation der Konferenz zu machen. Inklusive aller notwendigen Teile bin ich unter 250 EUR geblieben, das kostet eine sehr hochwertige Webcam auch.

Eigentlich dachte ich, dass diese Kameras dann auch Full HD als Webcam liefern, wenn man sich jedoch die übertragenen Video-Auflösungen bei Web-Konferenzen anschaut, reicht 1056×704 dreimal.

Finale

+ Tolle Möglichkeiten im Vergleich zu einer normalen Webcam
+ Preisgünstig bei gebrauchter Kamera
– Braucht etwas Zeit zum Aufbau
– Braucht Platz auf dem Schreibtisch
o Mehrfachnutzung einer bestehenden Kamera

2 Gedanken zu „Fotoapparat, Spiegelreflexkamera, DSLR als Webcam für Zoom, Teams, Jitsi und Co.“

  1. Hallo Hans,
    am einfachsten über ein Headset, da hast du Mikrofon und Ton sozusagen gekapselt. Das vermeidet Echos und Rückkopplungen.

    Ich selber nutze ein Podcast-Mikrofon (USB-Mikrofon) wahlweise mit Kopfhörern oder externen Boxen. Wenn es auf Audioqualität ankommt mit Kopfhöreren, ansonsten Audio via Lautsprecher. Die günstigste Freisprech-Einrichtung, die ich wählen würde besteht aus:

    • Externe PC-Lautsprecher, damit diese im Raum verschoben werden können, falls es Echos oder Rückkopplungen gibt ab ca. 20 EUR
    • USB-Mikrofon; Podcast-Mikrofon ab ca. 40 EUR

    Alternativ Konferenz-Lautsprecher also Mikrofon und Lautsprecher abgestimmt in einer Dose ab ca. 80 EUR.

    Kommt ein wenig darauf an, was du machen möchtest und wie gut die Qualität sein soll.

    Viele Grüße Werner

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