Kann man Unordnung messen?

Immer wieder begegnen mir Ausschreibungen, deren Ziel es ist, eine bestehende, historisch gewachsene Servicedienstleistung zu standardisieren. Dieser Service wird bisher in den unterschiedlichsten Ausprägungen und Qualitäten von den unterschiedlichsten Personen erbracht. Nach einigen Firmenfusionen, lokaler IT in den Ländern, verschiedenen Kostenstellen und diversen internen Kunden kann das schon recht unübersichtlich werden.

Viele Berater:innen empfehlen in einer solchen Situation, man müsse nur ganz genau beschreiben, was für eine Leistung man benötigt und entsprechende Service Level Targets von den Anbietern einfordern. Dies ist in vielen Fällen eine kaum lösbare Aufgabe. Allein die Tatsache, dass die Organisation in den verschiedenen Geschäftseinheiten mit unterschiedlichen Modellen zurechtkommt. Macht es schwierig, den richtigen Service zu definieren.

Derartige Ausschreibungen sind in der Regel sehr auffällig. Bei der Durchsicht fällt auf, dass viele Zahlen nicht zusammenpassen und die geforderten Service Levels meist zu hoch und damit zu teuer sind. In der weiteren Kommunikation werden die Zahlen auf Kundenseite typischerweise alle paar Wochen korrigiert, bleiben aber bis zum Schluss unbefriedigend.

Ich war selbst einige Jahre auf Kundenseite tätig und erinnere mich ungern an die Forderungen Simplifizierungen zentraler Stakeholder mit der platten Aussage: „Was soll denn daran so schwierig sein?“ Darauf möchte ich eine Antwort geben. Eine über Jahre ohne Standardisierung gewachsene Struktur mit hunderten unterschiedlicher Nutzergruppen ist komplex, wenn nicht gar chaotisch. Sie ist mehr als kompliziert und kann nicht in kurzer Zeit hinreichend gut analysiert werden.

Mit Hilfe von Cynefin würde ich das Umfeld analysieren und statt einer einfachen Antwort z.B. eine komplexe Problemstellung annehmen und mit Ausprobieren -> Wahrnehmen -> Handeln (Emerging Practice) antworten. Was bedeutet das für eine Ausschreibung? Zum Beispiel eine adaptive Ausschreibungsmethode wählen oder, wenn es klassisch bleiben soll, mit Rahmenvertrag in Phasen lernen und standardisieren.

Wenn man von den Cynefin-Kategorien ausgeht und einen einfacheren Kontext wählt, als er tatsächlich gegeben ist, hat man weniger Steuerungsinstrumente als notwendig. Ashby’s Gesetz besagt, dass die Vielfalt des Steuerungssystems mindestens so groß sein muss wie die Vielfalt der auftretenden Störungen, um die Steuerung durchführen zu können. Mit anderen Worten, Kategorienfehler sind ein hohes Risiko, absichtliche Kategorienfehler sind Glücksspiel.

Und genau das ist meine Beobachtung in solchen Fällen.

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