Zeitmanagement: Dinge nur einmal anfassen

Ich bin gerade dabei ein Vademecum – das ist nichts weiter als ein kleines nützliches Büchlein aber ein schönes Wort – zum Thema Zeitmanagement mit Kanban zusammenzuschreiben. Bis zur Vervollständigung ist es noch etwas hin, also habe ich beschlossen nützliche Kapitel schon mal vorab zu veröffentlichen.

Viele Zeitmanagement-Methoden fordern alle Aktivitäten, egal ob beruflich oder privat aufzuschreiben und in das System als Kärtchen, Eintrag, o.ä. einzutragen. Das ist im Prinzip richtig, aber wenn man dies zu penibel anwendet führt das immer wieder zu Frustration. Vor allem wenn man täglich sieht, was man den Monat alles noch machen muss und zu was man alles noch nicht gekommen ist. Dabei ist das Aufschreiben sämtlicher Elemente in eine Liste oder ein Board eigentlich nur notwendig, wenn man im Team arbeitet, damit Arbeit nicht doppelt gemacht, vergessen oder zum falschen Zeitpunkt gemacht wird. Alleine im Selbstmanagement kann man zum Beispiel gut mit mehreren Medien Kanban-Bord, elektronischer To-do-Liste und Papier-Einkaufszettel klarkommen. Wichtig ist nur das Richtige aufzuschreiben und einer Steuerung zu unterziehen. Was das ist, dem versuche ich hier nachzuspüren.

Kollegen ohne Zeitmanagement ertappt man hin und wieder, dass sie durch dutzende oder hunderte E-Mails scrollen. Die eine oder andere Mail dabei wieder auf ungelesen setzen und am Ende ermüdet erstmal einen Kaffee holen. Falls ihr jemals mit einem Zeitmanagement angefangen habt und nach kurzer Zeit wieder aufgegeben habt, erinnert Ihr Euch vielleicht an einen Moment an dem Ihr die To-do-Liste aufgeräumt, zusammengefasst oder mit angesammelten Aufgaben ergänzt habt. So etwas ist sehr anstrengend, die Gedanken springen von Aufgabe zu Aufgabe und klingen etwa so „Ach ja, das war das! Oh Mann, muss ich auch noch tun :-(“.

Das zu vermeiden hat zwei Vorteile, erstens wird Unzufriedenheit reduziert und zweitens ist obiges sinnlose Zeitverschwendung, auch wenn es nur 10 Minuten am Tag sind. Das Ziel ist sich zu erledigende Aktivitäten möglichst selten anzusehen, am besten nur in dem Moment, an dem die Aktivität auch bearbeitet wird.

Eingang, Ablagen und Ausgangskanäle

Das Zusammenstellen von To-do-Listen zu bestimmten Zeitpunkten geschieht oft, weil es keine priorisierten Kanäle bzw. Ablagen dafür gibt. Hinzu muss nur eine einfache Störung des Systems – wie ein langer Meeting-Tag – kommen und schon ist man am Tätigkeiten übertragen.

Bitte reduziert Ein- und Ausgangskanäle sowie Ablagen für Aufgaben. Dazu gehört ein rationeller Umgang mit Kommunikationsmitteln. Geht mit gutem Beispiel voran, bittet Kollegen effektiver zu kommunizieren, vermeidet das Rumspielen mit irgendwelchen Gadgets nur weil, die zu Anfang cool ausgesehen haben, benutzt wenige Tools und Ablagen.

Was meine ich damit: Eine Kollegin ruft Euch morgens auf dem Weg ins Büro an und bittet um die Erledigung einer Aufgabe die Euch etwas Zeit kosten wird. Bittet diese Kollegin Euch eine kurze Mail zu senden.

Oder Kollegen der Nachbarorganisation nutzen andere Systeme und schieben Dir eine Aufgabe mit aus deren Tool zu, Du bist aber kein Projektmitglied. Erkläre das Du gerne bereit bist via E-Mail (o.ä.) zu kommunizieren.

Ich wäre auch sehr zurückhaltend sich selber ein Management-Tool zu beschaffen. Beim Einstieg in das Zeitmanagement muss man so viel ändern und lernen, dass elektrische Helferlein oft kein guter Einstieg sind. Eine Papier-To-do-Liste (oder ein Kanban-Bord) auf DIN-A4-Pappe mit Aufgaben auf Klebezetteln lässt sich in einem Umschlag prima transportieren und funktioniert überall. Viel besser als Tools, die nur auf einer Plattform funktionieren, hakelig sind oder einer großen Tafel im Büro, die dazu führt, dass auf Reisen Aufgaben in einem anderen Medium gesammelt werden.

Auf jeden Fall nutzt wenige Stellen, bei denen Ihr Aufgaben kontrollieren müsst oder gar Aufgaben übertragen müsst. Es muss auch nicht eine einzige Ablage sein in der alle Eure Aufgaben stehen. Euer Projekt hat ein Kanban-Board, Ihr habt eine eigene To-do-Liste und die Familie hat auch ein Whiteboard? Das passt doch prima zusammen. Die Aufgaben zwischen den genannten Listen sollten sich im Regelfall nicht vermischen, das Projekt bekommt z.B. 75% Eurer Arbeitszeit, die eigene Liste 25% und die Familienzeit sollte ohnehin ein fester Bestandteil Eurer Work-Life-Balance sein. Ich würde weder Familienaufgaben noch Projektaufgaben in die eigene persönliche To-do-Liste aufnehmen, das ist nur doppeltgemoppelt und nervt.

Zettel KanbanZettel Kanban

Dinge nur einmal anfassen

Nicht alle Aufgaben müssen in eine Liste oder ein Board. Hier bin ich etwas vorsichtig, denn das ist Teil eines jeden Selbstmanagements. Das müsst ihr für euch selber herausfinden z.B. wenn ihr merkt, das einigen zentralen Aufgaben doch nicht nachgegangen wird wie „jede Woche Sport“ dann nehmt sie doch in die Liste auf. Hier einige Beispiele von Tätigkeiten, die ich nicht in meinem Zeitmanagement System verwalte, weil sie sich selbst in einem anderen Medium verwalten.

Nächste Woche findet eine Vertragsverhandlung statt, der Vertrag steht so weit, davor gibt es noch eine kurze interne Abstimmungs-Telefonkonferenz. Dazu kann einfach ein Termin eingestellt werden mit Link zum Vertragsdokument plus der Kundentermin, fertig. Das muss auf keine To-do-Liste. Zeitmanagement heißt Aufgaben der Wichtigkeit nach bearbeiten und den Überblick behalten. Selbst wenn 5 solcher Aufgaben als Termin im Kalender gebucht sind, es geht nicht um eine maximales Ausfüllen der Zeit.

Auch sind manchmal ganz große Dinge, die nicht unbedingt gelistet werden müssen. Du gehst die nächsten 6 Wochen zu einem VHS-Kurs oder so etwas. Das muss vielleicht als Blocker in den Kalender damit keiner in die Zeit einen Termin legt mehr nicht. Die Wahrscheinlichkeit das aus den Augen zu verlieren ist hoffentlich klein.

Auch kann eine Aufgabe manchmal im Kontext gemerkt werden. Du musst noch einen Brief wegbringen, lege ihn einfach auf den Haustürschlüssel.

Und noch ein Beispiel für Ablagen: Wenn drei verschiedene Tätigkeiten einer Aktion gemacht werden müssen, eines steht in einer E-Mail, eines als PowerPoint eines als WhatsApp. Bevor Du da dreimal daran vorbeigehst, fasse alles in eine Datei zusammen. Leite die Mail an Dich selbst weiter, hänge das PowerPoint als Anhang daran und kopiere den Text aus dem WhatsApp. Beziehungsweise E-Mails lassen sich auch bearbeiten, mehr dazu an anderer Stelle.

Die 2-Minuten-Regel

Aus Getting Things Done kommt die Regel: Dauert eine Tätigkeit weniger als 2 Minuten, sollte sie umgehend erledigt werden. Es lohnt sich nicht, schnell zu erledigende Aktionen umzusortieren, zu priorisieren und zu managen. Einfach machen. Nicht überlegen, ob 10 mal 2 Minuten niedriger priorisiert werden sollten als eine Aufgabe von 8 Minuten. Einfach machen.

Das ist eine gute Stelle um zu erwähnen, dass Euer Zeitmanagement einen Einfluss auf Eure Kommunikationspartner hat. Die Kolleginnen und Kollegen lernen sehr schnell, dass wenn sie Eurem Zeitmanagement System zuarbeiten, sie automatisch schneller und besser bedient werden.

Versetzt Euch mal in die Lage eines Projektleiters Max, der folgende Mail bekommt:

Hallo Max,
was hältst Du davon?
Gruß Moritz
---
Der enthaltene Mail-Thread enthält einiges an Diskussion um Softwareprodukte die dem Projektleiter bisher unbekannt ist.
Im Anhang Produktkataloge und Preislisten.

Der Projektleiter Max greift nach kurzem überfliegen der Mail hoffentlich zum Telefon und ruft Moritz an. Dieser erklärt Max das ein Teilprojekt eine Software kaufen möchte, Produkt A sich am besten eignet und etwa 500 EUR kostet. Nun nimmt sich Max hoffentlich noch einige Minuten Zeit Moritz zu erklären, wie die Mail besser formuliert werden könnte.

Hallo Max,
Teilprojekt Gamma benötigt eine Software. Produkt A eignet sich und kostet 500 EUR
einverstanden oder möchtest Du mit uns gemeinsam noch Produkt B und Produkt C evaluieren?
Ich schicke Dir gerne Kataloge und Preise.
Gruß Moritz

Diese Mail ist in 2 Minuten zu beantworten, konkret und unmissverständlich. Die erste Mail ist eigentlich eine Frechheit, aber leider nicht ganz unüblich.

Listen Re-Priorisieren

In Kanban und Scrum ist das Priorisieren durch eine Liste (eine Sequenz) eigentlich sehr schön gelöst. Andere To-do-Listen oder Action-Tracker arbeiten mit „Niedrig, Mittel, Hoch“ oder ähnlichen Prioritäten. Zum einen sind solcher Art Prioritäten schwer zu vergeben. Denn hat man eine Liste von 10 Tätigkeiten mit „Niedrig, Mittel, Hoch“ klassifiziert und nun kommt eine elfte Tätigkeit wird es aufwändig. Tätigkeit 11 ist ja wichtiger als Tätigkeit 5 die „Mittel“ aber nicht so schwerwiegend wie Tätigkeit 8 die ja als „Hoch“ eingestuft wurde. Da kommt man ins Grübeln.

Re-Priorisieren von bestehenden Listen ist üblicherweise ein Zeitfresser und Frustbringer. „Niedrig, Mittel, Hoch“ ist in meinen Augen immer problematisch. Eisenhower-Prinzip beziehungsweise eine Klassifizierung nach Auswirkung und Dringlichkeit mag okay sein. Am besten ist die Liste nach Wertigkeit zu sortieren, der Vergleich der Wichtigkeit zweier Aufgaben fällt uns oft leichter und muss seltener nach einer Zeit revidiert werden.

Was ich jedoch empfehle ist, von Zeit zu Zeit eine Überprüfung des gesamten Zeitmanagements zu machen. Etwa einmal im Monat bietet sich an. Habe ich (Routine-)Aufgaben vergessen zu erledigen, weil ich sie nicht aufgeschrieben habe? Welche Aktivitäten in meinem Zeitmanagementsystem nerven mich? Was kann optimiert werden? Nicht zu vergessen, welche Aufgaben von geringer Auswirkung und geringer Dringlichkeit streiche ich diesen Monat.

Ich hoffe einige Gedanken zu Eurem Selbstmanagement beigetragen zu haben. Es bleibt immer ein individueller Weg, macht was draus.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Dein Kommentar wird manuell freigeschaltet. Ich bitte um Geduld, das kann manchmal etwas dauern.