Zeitmanagement: Der Schweinehund macht Wichtiges dringend

Kommen wir mal zu einer sehr harten Nuss beim persönlichen Zeitmanagement, das sind Aufgaben die Wichtig aber nicht dringend sind. Solche Aufgaben können teilweise immens wichtig sein, rechtzeitig erledigt vielleicht zum einem Karriereschritt verhelfen oder auch ein zu langes aufschieben böse Folgen haben. Viele diese Langläufer sind ständige Begleiter im Aufgaben schieben und somit ein Demotivator, den man abschütteln sollte.

Wichtig-aber-nicht-dringend-Aufgaben die richtige Menge an Bearbeitungszeit zukommen zu lassen ist wirklich nicht einfach. Wann immer man so eine Aufgabe auf den Work-in-Progress-Stapel schiebt, droht Gefahr das Tagesgeschäft in seiner Dringlichkeit obsiegt und die Wichtig-aber-nicht-dringend-Aufgabe nach hinten schiebt.

Beispiele sind:

  • Ein Training mit Zertifikat absolvieren, welches Voraussetzung für die nächste Job-Stufe ist
  • Eine Masterarbeit oder ein Whitepaper für eine Konferenz, die noch weit in der Zukunft liegt
  • Trainieren für den Firmenlauf im nächsten Jahr, da das Team nächstes Jahr bei der längsten Distanz antreten will
  • Aufräumen, strukturieren, erweitern um mehr Kapazität zu schaffen

Wenn solche Tätigkeiten immer wieder hinter Wichtig-und-dringend-Aufgaben eingeordnet werden, bekommt man den Job nicht, obwohl durch Zufall eine Stelle freigeworden ist, verpasst die Konferenz oder liefert ein mittelmäßiges Ergebnis der Masterarbeit ab, muss doch auf der 5 km Strecke antreten und die Kollegen ziehen lassen oder kann den plötzlichen Auftragszuwachs nicht bedienen, obwohl es möglich gewesen wäre, hätte man nur rechtzeitig Kapazität erweitert.

Schauen wir mal nach Strategien dies zu verhindern, ich kann schon verraten, es wird nicht eine Methode für alle Fälle.

Ready?

Manchmal werden wichtige Aufgaben zu Langläufern, weil sie noch nicht durchdacht sind, nicht verstanden sind oder noch nicht granular genug sind. Das hat eigentlich nichts mit den hier vorgestellten Methoden zu tun, ist aber ein häufiger Fehler. Bevor eine Aufgabe in das Zeitmanagement kommt, sollte sie reif und durchdacht sein. Falls die Aufgabe unklar oder nicht greifbar  ist, sollte diese Vorbereitung und Recherche der Aufgabe erfolgen, also erstmal die Vorarbeit machen.

Process scheduling with aging

Aufgaben die im System immer wieder untergehen, da war doch was im Informatik-Studium, oder? Das Problem mit den Wichtigen aber nicht dringenden „Jobs“ ist doch nichts anderes als Job-Warteschlangen, die so fair sein müssen, das Aufgaben nicht verhungern (starvation). Tatsächlich kann so ein Prinzip auch in Kanban oder Eisenhower-Prinzip eingebaut werden, etwa durch Aging-Gewichte die den Wert bzw. die Dringlichkeit einer Aufgabe verstärken. Dies kann durch Klebepunkte, Striche, o.ä. visualisiert werden.

Das funktioniert in etwa so: Ihr erhöht am Ende jeder Woche die Dringlichkeit der Aufgaben die noch im Bord warten. Dazu klebt ihr am Ende der Woche auf alle „Ready“-Aufgaben einen Punkt auf das Kärtchen. Das kann man damit kombinieren das auf neue Karten eine Ausgangsdringlichkeit geklebt oder gemalt wird. Die neue Karte „Hemden zur Reinigung“ hat schon drei Punkte, weil der Schrank schon ziemlich leer ist.

Diese Methode erfordert Disziplin, denn die Aufgabe wird dadurch in der Tagesbetrachtung nicht wirklich wichtiger. Wenn man hier anfängt doch zu schieben, ist die Methode gescheitert.

Wo dieses gewichten wirklich gut funktioniert sind Aufgaben, die zu kleinen Katastrophen führen würden. Nehmen wir mal die Aufgabe „Hemden zur Reinigung bringen“. Das Ausgangsgewicht von 3 Klebepunkte und am Ende jedes Tages einen Klebepunkt erhöhen, sollte gut geeignet sein, mindestens auf letzter Minute frische Hemden zu haben.

Eisenhower Matrix mit Aging-Gewichten

Zeit fest blockieren

Aufgaben die noch lange hin sind, aber ein Fertigstellungsdatum haben und wenn dieses Datum auch nur ein willkührlich gesetztes Datum ist, könnt ihr eine festgelegte Zeit einräumen. Dazu rückwärts rechnen, etwas Puffer nicht vergessen und dann jeden Freitagmorgen 2 h reservieren, jeden ersten Mittwoch im Monat freihalten oder was auch immer dafür blocken.

Das funktioniert für das Training zum Firmenlauf, dem Whitepaper, dem Abendstudium etc. ganz gut, wenn da nicht doch einige Knackpunkte zu beachten wären.

Sucht Euch eine Zeit aus, die zu Eurer Arbeit und dem Privatleben passt. Dass kann gut der Mittwochmorgen sein, da im Laufe des Tages so viel dringendes Hinzukommt, dass Abendstunden oft nicht mehr produktiv sind oder übersteuert werden. Aber auch ganze Tage etwa einen Tag im Monat bieten sich an, im Kalender als abwesend eintragen und auch so behandeln.

Was genau bei Euch hilft, um diese Termine zu schützen, wisst Ihr selber. Auch wenn der ein oder andere jetzt denkt, mein(e) Chef(in) übersteuert mich sowieso. Dem widerspreche ich, zum einen hilft Transparenz, Routine und Absprachen. Auch das Zeitmanagement selbst wird helfen, da Ihr dadurch Zusagen pünktlich einhaltet und Aussagen wie „in 3 Tagen ist die Aufgabe fertig, auch wenn morgen mein Fernstudium-Tag ist“ viel verlässlicher werden.

Wenn Euch wirklich nicht einfällt, wie Ihr solche Termine einhalten könnt, stellt Euch doch mal etwas sehr sehr sehr Wichtiges vor, „das neue Herzblatt möchte mit Euch jeden Donnerstag um 16:00 Uhr ins Café“. Das würdet Ihr doch auch frei-blocken können.

Aber wir haben noch ein fest schlafendes Tier wild zu machen.

Den Prokrastinations-Schweinehund vor die Kutsche spannen

Ihr kennt doch vermutlich leichte Formen von Prokrastination: Man hat eine Aufgabe die durchaus Wichtig und terminiert sein kann, wie eine Präsentation, eine Studienarbeit, ein Whitepaper, o.ä. Nehmen wir der Einfachheit halber an diese ist schon grob durchdacht, in Aufgaben eingeteilt, mit einem Zeitplan versehen und man hat eigentlich Zeit dafür.

Nun werden kleine Routine-Aufgaben vorgezogen, es wird eingekauft, der Staubsauger rausgeholt, die Schallplattensammlung sortiert, die Spielekonsole wieder in Betrieb genommen, YouTube-Videos geschaut bis der Tag zu Ende ist. Er endet mit einem großen Schuldgefühl und dem Vorsatz, morgen aber geht es los, da schaffe ich Aufgabe 34 bis 48. Am nächsten Morgen hat man dann doch Appetit auf Brötchen, obwohl frisches Brot im Hause ist… …und so weiter…

Bis zu dem Tag an dem selbst der innere Schweinehund aufwacht und aufgeschreckt zubeißt, weil es wirklich super knapp geworden ist und die Aufgabe fast nicht mehr lösbar ist. Der geübte Prokrastinierer wird ein gar nicht so schlechtes Ergebnis abliefern, aber es wird weit unter den Möglichkeiten bleiben. Auch ist die Rückschau nicht angenehm, weil man mit ständig steigenden Schuldgefühlen ins Bett gegangen ist. Da helfen die Highscores auf der Video-Konsole nicht und auch nicht die Erinnerungen an die lustigen YouTube-Videos.

Die Zugkraft des aufgeschreckten Schweinehundes ist jedoch gut nutzbar, wenn man die Zeit verknappt und vor der Premiere noch öffentliche Proben einbaut. Wie wäre es einen Monat vor Abgabe eines Whitepapers Kollegen eine Präsentation zu geben? Diese sehr verbindlich öffentlich vorher bewerben, damit auch kein Ausstieg ohne Biss des Schweinehundes möglich ist.

Okay, wem das zu hart ist, man kann auch eine Serie von Terminen abstecken, in denen man Teilergebnisse vorstellt und mit Kollegen bespricht. Wichtig ist das diese Termine so wichtig sind, das der innere Schweinehund die Panik auch auslöst. Auch sollte man vom dem Gedanken lassen, dass man für solche Extratermine ja keine Zeit hat. Die Termine nutzen die Zeit, die Ihr sonst mit dem sortieren der Schallplattensammlung verbracht hättet.

Nicht ganz ein Schweinehund, aber läuft davon
Nicht ganz ein Schweinehund – Originalfotos sind eben sehr selten

Kritische Erfolgsfaktoren setzen

Falls Ihr nicht besonders stark unter Aufschieberitis leidet, jedoch hie und da die Übersicht verliert: Es hilft in jedem Fall eine Wichtig-aber-nicht-dringend-Aufgabe einen Zeitplan zu geben. Es gibt Aufgaben, die haben eventuell gar keine Terminierung, wie „Ich wollte schon immer einen Bootsführerschein machen“, genau solche Aufgaben sollten einen Zeitplan, Meilensteinplan oder kritische Erfolgsfaktoren in dem Kalender bekommen.

  • Zeitplan für etwas das nur ein Zeitbudget benötigt: Laufen trainieren, wöchentlich 15 km laufen, wöchentlich 30 km laufen, usw.
  • Meilensteinplan für Projekte bei denen eine geradlinige Planung reicht: Fachbuch durchgelesen haben, Probeprüfungen mit 100% absolviert haben, theoretische Prüfung ablegen, Praxisstunden absolviert, usw.
  • Kritische Erfolgsfaktoren für Vorhaben die eine Rückkopplung und Nachsteuerung benötigen: erster Monat 2 kg abgenommen haben, zweiter Monat 1,5 kg abgenommen haben, usw.

Zeitpläne mit relativ herausfordernder Taktung können besonders sinnvoll sein, wenn Ihr zur Perfektion neigt, die Aufgabe aber eher mit dem 80:20-Prinzip vorangebracht werden sollte. Forschungsarbeiten, Recherchen oder einarbeiten in neue Aufgabenfelder sind hier passende Beispiele. Ein herausfordernder Zeitplan sollte Euch zwingen auch mit 70% bis 80% fertiger Ergebnisse zufrieden zu sein. Nach dem Fertigstellungs-Meilenstein 80% ist dieser erledigt und es kommt die nächste Teilaufgabe.

Vision konkretisieren

Unter den Wichtig-aber-nicht-dringend-Aufgaben sind bestimmt einige Eurer Träume, die Euer Leben entscheidend beeinflussen können: Ausbildungen, Weltreisen mit Familie und Freunden, Zertifikate, Doktorarbeiten, Forschungen, was auch immer. Wenn ihr solche Aufgaben angeht, so kann das Glück passend zur Seite gesprungen kommen. Ihr finalisiert Eure Doktorarbeit und just dann wird an der Lieblingshochschule gerade eine Stelle zu dem Thema frei. Viele dieser Träume bedeuten aber auch Ballast und Frust, wenn die Stelle frei wird und die Doktorarbeit noch gar nicht begonnen wurde.

Mein Rat ist, legt diese Aufgaben auf einen Zeitplan, fangt an zu schätzen wie viel Zeit diese benötigen, bleibt realistisch und streicht den ganzen Rest dieser Träume von der To-do-Liste. Diese Träume verschwinden ja nicht aus dem Gehirn, streicht sie ganz bewusst. Sie werden dann zu nicht aktiven Aufgaben. Wenn der Traumjob dann frei wird, muss klar sein das die Doktorarbeit ohnehin gerade nicht anstand. So vermeidet man Frust und wird bei den wichtigsten Träumen viel konkreter.

Zeitmanagement Retrospektive

Einmal im Monat – nicht öfter – solltet ihr Eurer Zeitmanagement System einer Retrospektive unterziehen. Sind dort Ziele aufgeschrieben, die in den nächsten 3 Jahren gar nicht angegangen werden? Sind zu viele Vorhaben wichtig aber nicht dringend? Eventuell lohnt es sich einige Ideen zu streichen. Beschäftigt eine gestrichene Aufgabe Euch immer wieder? Dann fangt an sie detailliert zu planen.

Als Fazit eine Übersicht

Die hier vorgestellten Methoden müsst Ihr ausprobieren und nicht jede wird zu Euch passen. Wenn Ihr eine Methode anwendet, zieht es mit Stringenz durch, das hat leider viel mit Disziplin zu tun. Ihr dürft auch mal scheitern, wieder aufstehen und neu ansetzen. Eine Silver-Bullet (Patentrezept) kann ich euch leider nicht verkaufen.

  1. Aging-Gewichte helfen, wenn kurzfristig genug Zeit frei gemacht werden kann, jedoch der Fokus immer wieder verloren geht.
  2. Zeiten blockieren sorgt für eine bestimmte Zeit-Kapazität von Langläufer Aufgaben, Trainings, Recherchen, Forschungen oder bewusste Erholungen passen hier gut.
  3. Den Prokrastinations-Schweinehund bewusst aufschrecken lassen ist ein sehr gut wirkendes Mittel für bestimmte Leute. Je mehr Panik man sich zutraut, um so besser.
  4. Zeiten für Meilensteine und Erfolge festlegen, ist das sinnvollste Gestaltungsmittel erfordert aber auch am meisten Disziplin, wenn man hier nachlässig mit sich selbst ist verpufft jede Wirkung.
  5. Aufgaben angehen oder wegstreichen hilft herumschwirrende Träume fester zu greifen oder weit in die Zukunft zu schieben.

P.S.: Dies ist ein zukünftiger Abschnitt eines Büchleins zum Thema Zeitmanagement mit Kanban. Bis zur Vervollständigung ist es noch etwas hin, also habe ich beschlossen nützliche Kapitel schon mal vorab zu veröffentlichen.

 

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